Ewig sollst du schlafen
Namen zugelassen. Er konnte es immer noch schaffen und seine Mission erfüllen. Mit kreischender Sirene und pulsierendem Blaulicht schoss der Streifenwagen an ihm vorbei. Der Bulle am Steuer würdigte ihn nicht mal eines Blickes. Er war in Sicherheit. Zumindest im Augenblick.
»Hilfe!«, schrie Roberta, und ihr Herz hämmerte so wild, dass sie glaubte, es müsste zerspringen. Sie kam allmählich zu sich, fühlte sich noch benommen, doch sie spürte, dass sie in Gefahr war. In unvorstellbarer Gefahr. Oder war das nur ein Traum? Ein Albtraum? Ja, so musste es sein. Wach auf.
Wach sofort auf.
Sie zitterte und stemmte die Hände gegen das zerfetzte Tuch im Deckel der Kiste, in der sie steckte. Nichts rührte sich. Sie drückte stärker. Immer noch nichts. Panik erfasste sie. Wach auf.
Wach auf dann bist du in deinem eigenen Bett.
Sie sog die abgestandene Luft ein … aber das Atmen fiel ihr so schwer. Das musste ein Albtraum der schlimmsten Sorte sein!
Wach auf Roberta! Um Himmels willen, wach doch auf.
Sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Schwärze.
Absolute Dunkelheit.
Hier stimmte etwas nicht, sie fühlte sich bedroht wie nie zuvor in ihrem Leben.
Tu was. Raus hier! Um Gottes willen, du musst hier raus!
Sie stemmte die Hände erneut gegen den Deckel.
Vergeblich.
Noch einmal. Stärker.
Ihre Hände schmerzten.
Sie hatte das Gefühl, dass die Handgelenke im nächsten Moment brachen.
Das war kein Traum. Es war Wirklichkeit. Sie war gefangen. Wie eine Sardine in einer kleinen Dose!
Sie war nun bei vollem Bewusstsein, und sie bemerkte, dass sie nackt war. Sie trug nicht einen einzigen Faden am Leib.
Und ihr Rücken wurde gegen etwas gepresst, das wie … nein … o nein! Das glitschige Ding unter ihr … ein lebloser Körper … eine Leiche! Die Verschalung über ihr war ein Sargdeckel! Und sie war lebendig begraben.
Wie diese andere arme Frau.
»Hilfe! Bitte, helft mir doch!« Sie begann zu schreien und um sich zu treten, stieß mit den nackten Knien an, kratzte am Deckel des Sargs, sie brüllte, bis ihr Hals schmerzte. Sie wagte nicht daran zu denken, was unter ihr lag – das Metall einer Gürtelschnalle bohrte sich in ihren Steiß, sie spürte Knochen unter zerfetzter Kleidung an ihrem Po, spitze Rippen an ihrem Rücken. Immer und immer wieder rief sie, schluchzte und atmete ungewollt den scharfen Gestank von faulendem Fleisch ein. »Hilfe! Hilfe, oooh … Gott… bitte!« Sie weinte, kratzte sich die Finger wund, ihre gequälten Lungen brannten, in ihrem Kopf drehte sich alles vor Angst. Sie konnte nicht so sterben, nicht gegen eine Leiche gedrückt, deren verwesende Haut und Gewebeteile in ihrem Haar und an ihrer Haut klebten. Sie schüttelte sich und stellte sich vor, wie Würmer und Maden und alle möglichen ekligen Lebewesen durch die faserigen, zerfallenden Muskeln und Eingeweide unter ihr krochen. »Lasst mich raus. Bitte, bitte … lasst mich raus hier!« Halb wahnsinnig, mit einer enormen Kraft durch das Adrenalin, trat sie noch wilder um sich.
Da hörte sie ein widerliches Knacken. Schmerz schoss durch ihr Bein. Sie keuchte, atmete die dünne, verpestete Luft ein.
Es war sinnlos. Es gab kein Entkommen. »Warum?« Sie weinte hemmungslos. »Warum ich?«
Beruhige dich, Roberta. Vergiss nicht, du hast deinen Glauben. Wende dich an den Vater im Himmel. Er wird dir helfen. Er verlasst dich nicht.
Sie strich an ihren Rippen aufwärts, an den bloßen Brüsten vorbei zu ihrer Halsgrube, um ihr Kreuz zu umfassen, doch als sie mit blutigen Fingern ihren Hals absuchte, wurde ihr klar, dass das Kettchen mit dem Kreuz nicht da war. Derjenige, der sie entkleidet hatte, hatte ihr auch die Halskette abgenommen, ebenso ihren kostbaren Ehering. »Du widerliches Schwein«, zischte sie. Tränen der Verzweiflung strömten aus ihren Augen. Sie fing an zu husten. Das Blut stockte ihr in den Adern vor Furcht, und ein merkwürdiger Schmerz kroch durch ihren Arm. Sie spürte ein Prickeln, und, was noch schlimmer war, etwas quetschte ihre Brust zusammen.
Vertrau auf den Herrn. Er ist bei dir. Roberta, bewahre dir deinen Glauben!
Der Schmerz brannte in ihrem Inneren, doch sie hielt sich fest an den Worten, bei denen sie als Kind Trost gefunden hatte. Leise begann sie zu murmeln: »Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht, größer als der Helfer ist die Not ja nicht…«
Was zur Hölle war das?
Sie sang? Die alte Frau sang? Während der Überlebende den Pick-up in die dunkle Gasse hinter seinem Haus
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