Ewig sollst du schlafen
konnte nicht mehr lange dauern. Mittlerweile waren die Leute von der Spurensicherung mit Fotografieren, Einstäuben und Absaugen beschäftigt. Der Müll war sichergestellt worden, das alte Haus wurde nach Hinweisen und Spuren abgesucht. Die Beamten fanden keine Blutflecke, aber abgesehen von der Beule auf der Stirn, die sich Roberta Peters wahrscheinlich bei dem Versuch, sich im Sarg aufzurichten, zugezogen hatte, und von den wunden Fingerspitzen wies die Leiche ja auch keine Verletzungen auf. Sie war in die Leichenhalle gebracht worden, und die Ermittler warteten jetzt auf den Bericht der bereits vorgenommenen Autopsie, was noch Tage dauern konnte. Nicht, dass Reed ihn für so wichtig hielt. Aus dem Zustand ihrer Hände hatte er längst geschlossen, dass Roberta Peters das gleiche Schicksal erlitten hatte wie Bobbi Jean.
Abgesehen davon, dass sie nach menschlichem Ermessen nicht schwanger sein konnte. Reed hatte zunächst vermutet, dass der Mörder es in erster Linie auf ihn abgesehen hatte. Der Gedanke, dass Bobbi Jean wegen ihrer Beziehung zu ihm hatte sterben müssen, war unerträglich. War irgendein Mistkerl, den er hinter Gitter gebracht hatte, rausgekommen und wollte sich nun an ihm rächen? Reed hatte schon damit angefangen, die Akten über Kriminelle durchzugehen, die entlassen worden oder entflohen waren, aber jetzt … Er überdachte die Verbrechen noch einmal. Roberta Peters war ihm nie im Leben begegnet. Zumindest konnte er sich nicht erinnern, ihr je über den Weg gelaufen zu sein.
Aber der Mörder wendet sich auch in diesem Fall an dich. Dafür muss es einen Grund geben.
Es sei denn, er hätte sich rein zufällig für Reed als »Ansprechpartner« entschieden, vielleicht, weil sein Name im letzten Sommer so oft in den Medien aufgetaucht war. Seitdem fungierte er ungewollt ohnehin als Zielscheibe für jede Menge Spinner.
Ohne etwas anzurühren, sorgsam den Spurensicherern aus dem Weg gehend, streiften Reed und Morrisette durch das renovierte Haus mit seinen glänzend polierten geschnitzten Holzgeländern und verblichenen Teppichen, die, wie Reed vermutete, handgeknüpft waren und aus Nordafrika stammten. In der oberen Etage lagen vier Schlafzimmer; das größte gehörte augenscheinlich Roberta Peters selbst. Gerahmte verblichene Fotos von ihr und einem Mann, vermutlich ihrem Ehemann, standen auf Tischen und hingen über dem Kaminsims. Ihre Kleidung befand sich in einer Kommode und in mehreren Schränken, ihre Medikamente und Toilettenartikel bewahrte sie in ihrem privaten Bad auf. Das zweite und das dritte Schlafzimmer waren anscheinend Vorzeigeobjekte und Gästezimmer. Die antiken Betten darin sahen aus, als hätte nie jemand darin geschlafen, die Kommoden waren allesamt leer. Das vierte, kleinste Schlafzimmer war angefüllt mit persönlichen Dingen. Schrank und Kommode enthielten Kleidungsstücke, auf dem Nachttisch standen Tiegel mit Gesichtscreme, Körperlotion und Make-up und sonstige Toilettenartikel. Doch die Bewohnerin schien in den letzten Stunden nicht hier gewesen zu sein.
Reed prägte sich alles genau ein und stieg dann eine zweite Treppe, die Dienstbotentreppe, hinunter zur Küche, wo Diane Moses vermerkte, was am Tatort getan und entdeckt wurde.
»Schicken Sie mir schnellstens sämtliche Berichte«, sagte Reed.
»Ich habe gehört, Sie wären von dem Fall suspendiert.« Diane trug wieder ihre Latexhandschuhe. Gerade hatte sie den Fotografen angewiesen, noch mehr Aufnahmen von der Küche zu machen, in der ein Teekessel auf dem Herd stand. Auf einem kleinen Läufer bei der Tür zur Speisekammer waren Näpfe für ein Haustier aufgereiht. Reed bemerkte, wie sich alle Augen auf ihn richteten. Diane war nicht scharfzüngig und zynisch wie sonst immer, wenn sie Beweismaterial sammelte und alles in ihrem Protokollbuch notierte. Sie sprach einfach nur aus, was sie dachte.
»Schicken Sie die Berichte an Morrisette«, entgegnete Reed, während der Fotograf mit einer 35-Millimeter-Kamera sowie mit einer hochmodernen Digitalkamera Fotos schoss. Morrisette näherte sich den am Boden stehenden Näpfen. »Und wo steckt der Hund oder die Katze?«
»Haben wir noch nicht gefunden«, erwiderte Moses. »Sieht aus, als wäre der Napf frisch gefüllt worden.«
»Vielleicht macht die Katze gerade Diät«, warf der mürrisch wirkende Fotograf ein.
»Ja, und sie wollte gerade Tee kochen.« Die Porzellantasse samt Untertasse stand noch auf der marmornen Arbeitsplatte. Leer und sauber. Ein Teebeutel hing in
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