Ewig sollst du schlafen
längst erkaltetem Wasser von tiefbrauner Farbe. Zwei Kekse lagen unberührt auf einem kleinen Glastellerchen. »Der Herd war ausgeschaltet. In der Küche brannte Licht, im Treppenhaus, auf der hinteren Veranda und im großen Schlafzimmer ebenfalls, sonst nirgendwo. Sämtliche Türen und Fenster, bis auf diese hier« – sie wies mit behandschuhtem Finger auf die Hintertür –, »waren verschlossen. Die Hintertür stand einen Spaltbreit offen.«
»Aufgebrochen?« Reed betrachtete die Tür, das Schloss und die Pfosten.
»Nein. Und keinerlei Kampfspuren. Diesen Raum, die Veranda und den Garten haben wird schon untersucht. Sieht aus, als hätte sie ins Haus gehen wollen, aber anscheinend ist es dazu nicht mehr gekommen. Wir werden den Tee und das Wasser im Kessel noch auf Giftspuren untersuchen, aber ich bezweifle, dass sie auch nur einen Schluck davon getrunken hat.«
»Irgendwelche Botschaften?«
»Kein Anrufbeantworter oder Computer, keine Mailbox«, erklärte Diane. »Jede Menge Bücher. Besser gesagt,
tonnenweise
Bücher, nur
ein
Fernseher, auf einen Lokalsender eingestellt, der rund um die Uhr religiösen Kram bringt.«
»Wen hat sie angerufen?«
»Die letzte Nummer, die sie gewählt hat, hat die Vorwahl von Phoenix.«
»Sie hat jedenfalls nicht allein gelebt«, sagte Reed. »Nein, offenbar nicht.«
Von der Hintertreppe her waren Schritte zu hören. Reed hob den Blick und sah einen Neuling in Uniform namens Willie Armstrong die Veranda überqueren. »Hab die Katze gefunden«, verkündete er. Ein langer roter Kratzer zierte seine Wange. »Hat sich unter der Veranda versteckt. Und wollte nicht rauskommen.«
»Hat Sie aber böse erwischt«, stellte Morrisette fest. Der junge Polizist wurde rot bis zu seinen großen Ohren. »Ja. Das Vieh ist total ausgeflippt. Hat entweder eine Heidenangst oder ist verletzt. Ich hab die Feuerwehr angerufen.«
»Die Feuerwehr?«, wiederholte Morrisette. »Himmel noch mal, Willie, sind Sie Polizist oder ein Weichei? Können Sie die Katze nicht selbst holen?«
»Hey, ich hab’s versucht. Das verflixte Vieh wollte mir die Augen auskratzen!« Morrisettes Bemerkung hatte Armstrong offenbar verletzt. Aber er arbeitete ja auch noch nicht lange bei der Polizei, er würde sich schon noch an sie gewöhnen.
Er brachte immer noch Erklärungen vor und rieb sich mit einem Finger die Wange. »Das blöde Vieh hat mir beinahe das Gesicht zersäbelt. Und ich wollte keine Spuren vernichten. Vielleicht hockt noch jemand unter der Veranda.«
»Vollkommen richtig«, pflichtete Diane ihm bei. »Sie können die Katze ruhig packen.« Morrisette musterte Armstrong, als wäre er ein Schwachkopf, eine Mimose oder beides gleichzeitig. »Dazu müssen Sie kein Gehirnchirurg und auch kein Bärenbezwinger sein.« Sie verdrehte die Augen. Und genoss es sichtlich, ihn lächerlich zu machen. »Sie müssen nicht mal Tränengas anwenden, Willie. Es ist nur eine Katze, verdammt noch mal.«
»Hören Sie auf. Armstrong hat Recht.« Diane griff nach ihrem Werkzeugkasten. »Und das wissen Sie auch, Morrisette. Lassen Sie den Jungen in Ruhe.«
»Warum soll es ihm besser gehen als uns anderen?«, brummte einer der Polizisten, und Morrisette bedachte ihn mit einem scharfen Blick.
Unerfahren, wie er war, zog sich Armstrong hastig auf die Treppe zurück und flüchtete in den Garten. »Sobald wir was wissen, schicken wir es Ihnen, Morrisette«, sagte Moses spitz. Doch aus den Augenwinkeln sah sie Reed an und nickte ihm kurz zu. Dann machte sie sich wieder an die Arbeit.
»Also ist alle Welt im Bilde, dass du raus bist aus dem Fall.«
»Sieht so aus.«
»Anscheinend erwirbst du dir so langsam einen gewissen Ruf«, bemerkte Morrisette, als sie den gepflasterten Weg entlang zum Streifenwagen gingen. Reed öffnete die Tür und stieg ein. »Den hab ich längst.«
12. Kapitel
S ie glauben also, wir haben es mit einem Serienmörder zu tun?«, fragte Katherine Okano und betrachtete durch ihre Lesebrille den Brief, den Reed erhalten hatte. Ihr graues Wollkostüm spiegelte ihre Laune. Ihre Miene war streng, ihr Mund zu einem schmalen Strich zusammengepresst. »Sieht so aus.« Reed saß in einem der Besuchersessel, Morrisette stand am Fenster.
»Das hat uns gerade noch gefehlt.« Sie ließ sich auf ihrem Schreibtischstuhl nieder. »Okay, was wissen Sie?« Die beiden hatten die Bezirksstaatsanwältin hinzugezogen, um die Vorgänge auf dem Heritage Cemetery und in Roberta Peters’ Haus voranzutreiben. Sie hatten
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