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Ewig sollst du schlafen

Ewig sollst du schlafen

Titel: Ewig sollst du schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
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spürte verwundert, wie klein und knochig sie war. Ihre Ringe waren zu weit, sodass die Steine immer wieder zur Handfläche hin rutschten. »Wäre das denn so schlimm?«
    Charlenes Kinn bebte ein bisschen, dann schaute sie ihrer Tochter in die Augen. »Du denkst also auch, ich wäre verrückt.«
    »Nicht verrückt. Depressiv.«
    »Ist das nicht das Gleiche?«
    »Ganz und gar nicht. Da besteht ein Riesenunterschied.« Nikki versuchte, es milde auszudrücken. Doch wenn die Wahrheit auf den Tisch gebracht werden musste, war das schwierig. »Du wirkst einfach so furchtbar unglücklich, Mom.«
    »Nun, sehr gut beobachtet«, fuhr Charlene böse auf, fing sich jedoch gleich wieder und entzog Nikki ihre Hand. »Mir geht’s gut. Mach dir bitte keine Sorgen.« Schwere Schritte polterten auf dem Flur, und wieder kniff ihre Mutter leicht die Lippen zusammen, so als könnte sie es kaum ertragen, sich mit ihrem Mann in einem Zimmer aufzuhalten. Als Big Ron mit zwei kleinen Gläsern in der Hand das Zimmer betrat, zwang sie sich zu einem verkrampften Lächeln.
    Eiswürfel klimperten in einer blassgoldfarbenen Flüssigkeit. »Bitte schön«, sagte er und reichte Nikki ein Glas. »Sie hat gesagt, sie möchte nichts trinken«, bemerkte Charlene. »Ach ja?« Er zwinkerte seiner Tochter zu. »Das hab ich dann wohl überhört.« Er stieß mit Nikki an und sagte: »Auf viele weitere Knüller mit deinem Namen auf der Titelseite.«
    »Danke.« Sie nahm einen zögernden Schluck, fand den Drink genießbar und bemühte sich, die Spannung zu ignorieren, die in der Luft hing.
    Um ihre Mutter zu besänftigen und weil sie umkam vor Hunger, blieb sie zum Abendessen, hörte sich die Golf- und Angelgeschichten ihres Vaters an und versuchte vergebens, Charlene in die Unterhaltung einzubeziehen. Den Nachtisch, Kaffee und Kuchen, nahmen sie im Wohnzimmer ein. Währenddessen unterdrückte Nikki den Impuls, ständig auf die Uhr zu sehen. Sie hatte beinahe aufgegessen, da fiel ihr urplötzlich ihre Verabredung mit Simone ein. Wieder einmal hatte sie sie völlig vergessen. Sie entwickelte sich langsam zu der Sorte von Freundin, die sie so verabscheute. »Oje, jetzt muss ich aber los«, sagte sie und stellte den Teller mit dem angebissenen Kuchen und den Kaffee auf einem Beistelltisch ab.
    »Wo brennt’s denn?« Ihr Vater saß in seinem abgeschabten ledernen Lieblingslehnstuhl. Er hatte die Beine hochgelegt, das Hemd aufgeknöpft und ein Hosenbein nach oben gezogen, um das Halfter zu lösen, das er an der Wade trug. Seit einem Anschlag, Folge eines besonders harten Richterspruchs, hatte er stets eine verborgene Waffe bei sich. »Ich bin mit Simone zum Sport verabredet«, erklärte Nikki und griff nach ihrer Handtasche. Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Wenn ich mich beeile, schaff ich’s noch.«
    »Aber wir sehen dich so selten«, beschwerte sich Charlene. Big Ron massierte seine Wade. Das Halfter und die Pistole hatte er auf dem Kaffeetisch platziert. »Nimm das verfluchte Ding da weg!«, sagte Charlene und deutete mit dem Zeigefinger auf die Pistole. »Als du sie das letzte Mal liegen gelassen hast, ist Lily mit Ophelia zu Besuch gekommen.« Big Ron jedoch rührte sich nicht, schaltete lediglich mithilfe der Fernbedienung auf einen anderen Fernsehsender um.
    »Wie kann man nur so egoistisch sein!« Charlene presste die Lippen zusammen. Jetzt, da sich ein Streit anbahnte, ließ Nikki die beiden nur äußerst ungern allein. »Ich komme bald wieder. Ich versprech’s euch.« Sie gab ihrer Mutter einen Kuss auf den Scheitel, umarmte ihren Vater und eilte aus dem Haus. Ihre Eltern hatten sich in einem dauerhaften Waffenstillstand arrangiert. Sie kamen zurecht. Trotzdem machte sie sich Sorgen und hoffte inständig, dass sie sich nun nicht in die Haare kriegten.
    Dann wanderten ihre Gedanken zu Simone. Wie hatte sie ihre Freundin bloß vergessen können? So ehrgeizig sie auch war, die Arbeit durfte nicht Vorrang vor allem anderen haben. Familie und Freunde waren viel wichtiger. Und dennoch ließ sie ihre Eltern in ihrem Unglück zurück, hatte seit zwei Tagen versäumt, ihre Schwester zurückzurufen, hatte Trina neulich Abend verprellt und jetzt um ein Haar ihre beste Freundin versetzt. »O ja, Nikki«, schalt sie sich selbst, »du bist schon eine tolle Freundin.«
    Mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr sie nach Hause, klingelte an der Wohnungstür des Hausbesitzers, ließ sich dort zwei funkelnagelneue Schlüssel aushändigen und erhielt die Versicherung,

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