Ewig
Ausstellung.
Ein junger Mann stand am Eingang, begrüßte sie und entwertete die Eintrittskarten.
»Schön, Sie wiederzusehen, Professor Sina«, meinte der Bursche mit dem Wappen des Stiftes auf seinem dunkelblauen Pullover. »Sie werden sich nicht an mich erinnern, aber ich habe Proseminare in Mittelalterlicher Geschichte bei Ihnen belegt. Was führt Sie zu uns?«
»Ich möchte mir nur den Babenberger Stammbaum ansehen«, meinte Sina kurz angebunden.
»O ja, das ist eine gute Wahl. Eine herausragende Arbeit, dieses Tafelbild. Es ist ein einzigartiges Werk, sowohl in seiner Größe als auch seinem Thema nach. Wie Sie wissen, entstand es zwischen 1489 und 1492 und ist über acht Meter breit und fast vier Meter hoch! Das dreiteilige Tafelbild wurde von Hans Part gemalt und es zeigt in ungewöhnlicher Weise den Stammbaum der Familie, die Österreich von 976 bis 1246 vor den Habsburgern regiert hat«, dozierte der Junge stolz darüber, seinem ehemaligen Professor etwas voraus zu haben.
Sina und Wagner betraten die Ausstellung. »Warum sollte Friedrich gerade in diesem Stammbaum seinen Hinweis verstecken?«, flüsterte Wagner.
»Weil das Bild an der wichtigsten österreichischen Pilgerstätte seiner Zeit aufgestellt war«, erklärte Sina leise. »Zum Grab des heiligen Leopold unternahmen selbst die Landesfürsten jährliche Wallfahrten. Der fromme Markgraf wurde bereits direkt nach seinem Tode 1136 verehrt. Der Heiligsprechungsprozess wurde vor allem von Friedrich III. vorangetrieben und der Kaiser war erfolgreich: Im Jahre 1485 wurde Leopold heiliggesprochen und vier Jahre später entstand der Stammbaum, der über seinem Grab aufgestellt wurde.«
Im zweiten Stock, direkt über den Kaiserzimmern, fanden sie schließlich nach einigem Suchen das Gemälde in der mittelalterlichen Galerie. Es bestand aus drei Tafeln, die mittlere zeigte in bunten Farben das Leben der männlichen, die beiden Seitentafeln mit den Porträts der weiblichen Familienmitglieder priesen die Schönheit der Babenbergerinnen.
»Die Frauen können wir getrost vergessen«, meinte Sina trocken. »In diesem Fall sind sie nicht der Schlüssel.«
»Das ist aber nicht sehr gendergerecht, Herr Professor«, sagte Wagner.
»Das war Friedrich aber völlig egal und mich lässt es auch kalt.« Sina ließ sich nicht ablenken.
»Mir soll es recht sein, ist ja deine Universitätskarriere«, frotzelte der Reporter. »Was hältst du von dem Mittelteil?«
»In jedem Kreis, oder besser gesagt, in jeder Medaille hast du einen Babenberger, eine für sein Leben typische oder einschneidende Begebenheit und einen für ihn wichtigen Ort dargestellt. Da oben ist der erste Markgraf, Leopold I, wie er an der Spitze seines Heeres das Aufgebot der Ungarn in die Flucht schlägt. Wir waren schon immer im Dauerkrieg mit allen unseren Nachbarn.«
»Schön, aber was haben all die Babenberger, die gegen die Ungarn und mit sonst wem kämpfen, mit Friedrich zu tun? Das passierte doch alles hunderte Jahre früher«, unterbrach Wagner Sinas Ausführungen.
»Schau, Paul. Hier haben wir es mit mittelalterlicher Kunst zu tun, das erkennst du schon an der Bedeutungsperspektive. Wichtige Personen sind viel größer gemalt als die Nebenfiguren. Vergangenes und Gegenwärtiges geschieht gleichzeitig. Und die Orte hat der Künstler so wiedergegeben, wie er sie aktuell, also im 15. Jahrhundert, gesehen hat«, erklärte Sina. Wagner sah ihn fragend an.
»Ist doch ganz einfach. Zur Zeit der Entstehung des Stammbaums sind die Ungarnkriege brandaktuell. Wenn hier also Babenberger gegen Ungarn und Böhmen Krieg führen, so schildert uns der Maler in Wahrheit, wie die Truppen Friedrichs gegen Corvinus ziehen. Nur mit dem Unterschied, dass hier auf dem Bild die Österreicher gewinnen und so die jüngsten Schlappen durch heroische Taten der Vergangenheit relativiert werden«, ergänzte Sina.
»Also geht es hier eigentlich um den Konflikt zwischen Corvinus und unserem Friedrich«, stellte Wagner fest. »Aber wo ist jetzt unser Hinweis?«
»In Wirklichkeit haben wir zwei Hinweise«, sinnierte Sina. »Der erste ist Heinrich Jasomirgott da drüben und der zweite ist Friedrich der Streitbare da unten.« Er zeigte auf eine weitere Medaille. »Hinter Heinrich auf seinem Weg ins heilige Land erkennst du das Schottenstift.«
»Richtig!«, rief Wagner. »Und da ist Wien, endlich habe ich unseren zweiten Hinweis gefunden. Welcher ist Friedrich auf dem Medaillon?«
»Das ist die Frage, Paul. Mit
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