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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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ließen sie das altrosa Rokoko-Rathaus mit seinen weißen Schnörkeln hinter sich. Als sie zwischen die zwei schlanken Säulen des Klostertores hindurch den Grund des Chorherrenstiftes betraten, tat sich vor ihren Augen ein weiter, lichter Platz auf, in dessen Mitte ein gotischer Bildstock wie ein aufgerichteter Stachel in den Himmel ragte.
    Vor ihnen erhob sich die romanische Stiftskirche »Maria Geburt«, deren elegante, neugotische Türme an der Westfassade geradezu filigran gegen den eindrucksvollen barocken Anbau wirkten, der im Osten direkt an die Apsis anschloss. Das romanische Langschiff schien wie eine Nadel im Körper eines verstümmelten Riesen zu stecken.
    Klosterneuburg war monumental, Stein gewordener Größenwahn eines Reiches, das sich selbst darstellte. Mittelalterliche Gebäude und Wehranlagen wirkten winzig gegen den fünf Stockwerke hoch über die weitläufige Terrasse aufragenden barocken Prachtbau.
    Wagner schaute immer wieder misstrauisch über seine Schulter zurück und erwartete jeden Moment den Ansturm einer bewaffneten Streitmacht. Georg Sina jedoch war beeindruckt von der opulenten Fassade, an deren Basis sich unscheinbar wie ein kleines Mauseloch der Eingang zu den Schausammlungen und den Stiftsführungen befand, bewacht von einem mit seinen beiden Köpfen grimmig dreinblickenden Reichsadler. Zu seiner Rechten und Linken ruhte jeweils ein Engel lässig auf einem Sims. Beide bliesen eine goldene Posaune. Vorboten der Apokalypse?
    »Sieh dir das an, da drüben«, raunte Wagner und stieß Sina in die Seite.
    »Was?«, antwortete der Wissenschaftler alarmiert.
    »Lies, was auf den Plakaten dort steht«, forderte ihn der Reporter auf.
    »Engel behüten dich«, las Sina.
    »Genau, wenn sie dir nicht grade den Kopf von den Schultern schießen wollen«, ergänzte Paul grimmig. Georg nickte zustimmend.
    Neben dem Museumseingang flackerte die Leuchtschrift eines kleinen Kaffeehauses »Escorial«.
    Paul Wagner wunderte sich über den Namen. »Escorial? Soweit ich weiß, steht der in Madrid.«
    Sina nickte. »Ich weiß, es wirkt weit hergeholt, und doch passt es. Um ein Haar wäre das Stift im 18. Jahrhundert nach dem Vorbild des spanischen Königspalastes zum österreichischen Escorial ausgebaut worden«, erklärte er, als sie sich an der Kasse des Museums anstellten. »Aber nur einer der geplanten vier riesigen Höfe der gigantischen Residenz wurde fertiggestellt, an jeder seiner Ecken von einer wuchtigen Kuppel gekrönt.« Ein kleiner Drehständer zeigte Ansichtskarten mit einem tiefblauen Himmel, der sich über dem gelben Stift spannte und zwei riesige Kronen auf dem Dach.
    »Der bekannteste Barock-Baumeister Österreichs, Joseph Fischer von Erlach, hat das Dach mit monumentalen Abbildern der alten, achteckigen Reichskrone und der heiligen Krone Österreichs, dem Erzherzogshut, verziert. Damit sollte der Machtanspruch des Kaiserhauses weithin sichtbar verkündet werden«, erklärte Sina und schaute sich zum ersten Mal bewusst in dem Saal um, in dem sie standen. Als er nach oben blickte, stockte ihm der Atem. Mit offenem Mund folgte Wagner seinem Blick und duckte sich instinktiv. Die Steingiganten, die eine hochgewölbte, unverputzte Decke auf ihren Schultern trugen, schienen sich gleich auf sie stürzen zu wollen. Die Besucher, die staunend umhergingen oder in den roten Polstermöbeln saßen, wirkten plötzlich wie Ameisen.
    »Was zum Teufel ist das hier?«, sagte Paul Wagner unbehaglich.
    »Das, meine Herren, ist die Sala terrena«, sagte die Dame an der Kasse lächelnd, »auch ›Riesensaal‹ genannt, weil acht Atlanten das Gewölbe stützen. Sie stammen aus der Werkstatt des Hofbildhauers Lorenzo Mattielli. Leider blieb der Saal nach dem Tod Karl VI. unvollendet, genau wie der Rest seines Palastes. Dieser Gartensaal sollte die kaiserlichen Repräsentationszimmer mit den Parkanlagen verbinden, aber mangels des Parks, der nie angelegt wurde, wurde der Saal zugemauert und diente den Mönchen als Weinlager.«
    Wagner begann sich gerade auszurechnen, wie viele Flaschen und Fässer wohl hier Platz gefunden hatten, als die Dame geschäftstüchtig nachsetzte: »Wollen Sie eine Führung machen?«
    »Nein, wir interessieren uns nur für den Babenberger Stammbaum«, brummte Sina unfreundlicher als beabsichtigt. Wagner schaute ihn überrascht an und zahlte die beiden Eintrittskarten. »Du erinnerst mich langsam an Kommissar Berner«, schmunzelte der Reporter und zog Sina mit sich in die

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