Ewig
meine Herren«, keuchte der junge Österreicher. Er war auf dem Bauch zu ihnen vor an die Tür gerobbt.
»Na bitte, wenn Sie wünschen«, schmunzelte der Pole und spähte zusammengekauert durchs Schlüsselloch hinaus auf den Gang.
»Sehr schön, wie im Lehrbuch. Geschlossene Linie«, raunte er den beiden anderen zu, die sich an die Wand gepresst aufgerichtet hatten. Dann hob er die linke Hand und zählte mit den Fingern bis drei. Als die Spitze seines Mittelfingers nach oben ging, trat der Tscheche mit lautem Krachen die Türe durch, schoss augenblicklich und traf den kommandierenden Offizier genau zwischen die Augen. Sofort schnellte er in seine Deckung zurück und murmelte grimmig: »Hab ich dich, Brüderchen.«
»Das macht dir doch hoffentlich keine Freude, Pawel?«, entsetzte sich der Pole.
Aber Pawel schaute ihn nur verächtlich an.
»Keine Namen!«, grollte der Superior und lauschte auf das tumultartige Stimmengewirr im Gang.
»Gut gemacht, Männer. Sie sind führerlos und verwirrt. Waffen auf Dauerfeuer und ausbrechen!«, befahl er mit fester Stimme. Er selbst steckte seine Steyr in den Halfter am Gürtel und lud sich ächzend den toten Ungarn auf die Schultern.
»Warum dieser Ballast, bitte?«, fragte ihn der Pole.
»Wir dürfen keinen von uns zurücklassen, niemals, das war immer so und wird immer so sein«, antwortete der Alte streng. Dann rief er: »Mit vereinten Kräften! Vorwärts!«
Die Mündungsfeuer der drei Steyr M12/P16 blitzten auf, Patronenhülsen prasselten durch die Luft und die vor dem Zimmer postierte Reihe Polizisten tanzte wie die Marionetten im Takt der Schüsse. Als ob ihnen jemand die Schnüre durchtrennt hatte, stürzten die Wachmänner mit aufgerissenen Brustkörben zu Boden. Die nächste Gruppe Uniformierter stürmte nach vorne, um von einer zweiten Salve sofort vollständig niedergemäht zu werden.
Mit geübten Handgriffen wechselten die Männer in Feldgrau ohne hinzusehen ihre Magazine aus, ihre Augen überwachten stets den Gang, der nun mit Leichen übersät war. Dann, ohne ein Wort zu verlieren, stürmten sie aus dem Zimmer hinaus und rannten im stummen Einvernehmen auf die Treppe zu. Die Agenten der Ochrana gaben nicht auf und schickten eine weitere Welle Polizisten die Stufen hinauf, ihnen entgegen. Jedoch auch ein weiteres Mal bewiesen die modernen österreichischen Waffen ihre Überlegenheit. Mühelos erreichten die vier Männer den Treppenansatz.
»So geht das nicht!«, hörten sie die Stimme des Engländers hinter sich. Nur noch wenige Meter trennten sie von der Freiheit. Da ertönte ein einzelner Schuss und der Superior, in den Rücken getroffen, brach hilflos unter seiner Last zusammen. Oswald Rayner, der britische Agent, hatte den gezielten Schuss vom Treppenkopf im oberen Stockwerk abgegeben.
»Verfluchter Schweinehund!«, schrie der Tscheche und bedeckte die Treppe mit einer Feuersalve. Rayner zog den Kopf ein und hechtete zurück, während die Kugeln ihm um die Ohren pfiffen.
»Daneben«, zischte Pawel enttäuscht durch die Zähne und spuckte aus.
»Komm, lass uns doch endlich verschwinden. Los, nimm du den Ungarn. Ich trage den Superior«, forderte der Pole und zerrte an Pawels Mantelschoß. Er kniete neben dem Alten nieder, der noch Leben in sich hatte.
»O nein, mein Freund, den Ungarn trage ich nicht. Viel zu lange haben unsere Leute diese hochnäsige Brut auf ihren Schultern getragen«, knurrte der Tscheche und lud nach. Er spähte nach oben, aber von dort ließ sich niemand mehr blicken.
»Na fein, dann trage ich ihn eben und du fährst«, zischte der herbeigeeilte Österreicher und ging dem Polen zur Hand.
Es hatte zu schneien begonnen in St. Petersburg. Dicke Flocken fielen vom Himmel, tanzten in den dunklen Straßen und legten sich wie ein weißes Leichentuch über die Stadt. Die Straßenlaternen zeichneten helle Kreise in den weißen Neuschnee, als die Tür des Jussopow Palastes aufsprang und die drei Männer auf die Straße stürzten, fast ausglitten und schließlich die dämmerige Straße hinunter auf ein großes, schwarzes Automobil zurannten. Kurz darauf spie das Palais Trauben von schreienden, rennenden und wild um sich schießenden Polizisten aus. Aus einigen finsteren Seitengassen kam Verstärkung, hinter den Fenstern der Häuser gingen wegen des Lärms die Lichter an und erschreckte Menschen im Nachtgewand lehnten sich schaulustig über die Fensterbretter.
Die drei Flüchtenden warfen die zwei Leblosen auf die Rückbank des Wagens,
Weitere Kostenlose Bücher