Ewig
Mertens’ Vermächtnis mit den Erkenntnissen von Professor Meitner und den Hinweisen von Friedrich kombinieren«, fasste Sina für sich selbst zusammen.
Er ging in die Küche und goss sich einen Tee auf. Während er den Blättern zuschaute, wie sie das heiße Wasser in eine duftende, goldgelbe Flüssigkeit verwandelten, verfolgte er seinen Gedankengang weiter.
Friedrich hinterließ ihnen Hinweise auf die Bewahrer, auf Hieronymus, auf Engel, auf das chinesische Längenmaß und damit auf das Drachenviereck. Er wies ihnen den Weg aus Wien heraus in Richtung Süden. »Da kommen nur Wiener Neustadt und Graz, zwei seiner Residenzstädte in Frage und auch Mertens hatte von Graz gesprochen«, überlegte Sina laut. Also führte sie der nächste Weg dahin, immer dem AEIOU folgend und den Kunstwerken, die Friedrich hinterlassen hatte.
»Andererseits beweist das chinesische Längenmaß im Buchstabenwert von AEIOU, dass Friedrich von Oderich etwas erfahren haben musste. Von Oderich, der in Tibet war und der Beijing besucht hatte, der die Baumwolle mitgebracht hatte und der Friedrich schließlich so wichtig war, dass er Portenau als einziges Funeralschild einer Stadt bei seinem Begräbnis haben wollte. War es möglich, dass der chinesische Kaiser das Geheimnis lange vor Friedrich gekannt hatte, Oderich seinen Hinweisen folgte und es aus China nach Europa mitbrachte?« Sina kostete den Tee und genoss die Wärme, die ihn von innen her durchdrang.
Chinesen … die Chinesen waren es in Chemnitz gewesen, die – wie immer auch – auf ihre Spur gekommen waren, die den »Höllenzwang« haben wollten, die wahrscheinlich auch hinter den Morden in der Ruprechtskirche und der Karlskirche steckten. Einerseits halfen sie ihnen mit ihren Hinweisen, brachten sie auf die richtige Spur, nein, zwangen sie geradezu, die Spuren zu verfolgen, andererseits … Sina nahm noch einen großen Schluck Tee aus dem schweren Becher. Dann wurde es ihm schlagartig klar: Die Chinesen wollten das Geheimnis nicht einfach haben, sie wollten es nach zwei Jahrtausenden wiederhaben!
Es dauerte keine fünf Minuten, bis der Wissenschaftler seinen Haflinger gesattelt hatte und begleitet von Tschak auf dem Weg in die »arenhandlung« war.
Café Diglas, Wien/Österreich
P aul Wagner saß bei einer Melange in seinem Stammcafé und hatte den aufgeklappten Laptop vor sich. Er tippte bereits den zweiten Artikel für Elena Millt und die UMG. Mertens’ Vermächtnis, das kleine Pergament im Ritter, die Fahrt nach Chemnitz und die Rettung durch Valerie Goldmann aus der Eisarena waren die Grundpfeiler der Geschichte, die in wohldosierten Fortsetzungen die amerikanischen Leser in Atem halten sollten. Friedrichs mittelalterliches Geheimnis hatte es über den großen Teich geschafft.
Wie hatte Elena in ihrer letzten E-Mail geschrieben? »Mr. Wineberg verfolgt trotz seines schlechten Gesundheitszustandes mit großem Interesse Ihre Fortschritte in dieser Geschichte. Er vertraut darauf, dass Sie die UMG regelmäßig über die Ereignisse auf dem Laufenden halten, exklusiv, selbstverständlich.«
Wird gemacht, Elena, dachte sich Wagner und schickte mit einem Tastendruck den zweiten Artikel auf den Weg um die halbe Welt, da klingelte sein Handy. Als sich Georg Sina meldete, war Wagner mehr als überrascht.
»Seit wann existiert in deiner Welt ein Telefon, Georg?«, fragte er. »Lass mich raten. Du bist in der Kommunikationszentrale des Ortes, zwischen rosa Riesenschlüpfern und den neuesten Bauernkalendern?«
»Vergiss es, Paul, und hör mir zu. Wir brauchen dringend jemanden, der uns mehr über den ersten chinesischen Kaiser Qin Shihuangdi erzählt. Über sein Leben, sein Grab, seine Tonarmee, seine Hoffnungen und vielleicht seine verborgenen Leidenschaften und Erkenntnisse. Wenn ich richtig kombiniere, dann vermuten die Chinesen zwar den Kern seines Geheimnisses, aber die Spur hat sich im Laufe der Jahrtausende im Sand verlaufen.« Der Wissenschaftler machte eine Pause, dann fuhr er fort: »Die Chinesen müssen irgendwann durch einen Zufall erfahren haben, dass noch nicht alles verloren ist. Weil Oderich von Portenau es von seiner Reise nach Tibet und Beijing nach Europa mitbrachte, ein Geheimnis, so groß, dass nur ein Kaiser seiner würdig war. Erinnere dich an das Vermächtnis Mertens’. Friedrich II., der Hohenstaufer, war der erste, dem es offenbart wurde. Der verspielte es der Legende nach, wählte nicht das Maß, wie Mertens schrieb. Dann kam es zu unserem Kaiser
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