Ewig
Friedrich III. und der teilte es nicht einmal seinem Sohn mit. Nur er schrieb die magischen fünf Buchstaben auf, nur er hinterließ eine Reihe von Hinweisen, die bis heute Bestand haben. Aber er war ein gespaltener Mensch, hin und her gerissen zwischen dem Geheimnis, der Angst, es zu offenbaren und der Sucht, es zu verstecken und doch der Nachwelt eine Möglichkeit der Entdeckung zu hinterlassen. Friedrich, der Mann, der so stolz auf seine Geheimschriften war, dass er ›ich habe es erdacht‹ unter eine der ausgeklügeltsten schrieb, machte sich ans Werk und platzierte vorsichtig und ganz gezielt seine Hinweise. Gleichzeitig hatte er Angst vor seinem Mut, beauftragte die Bewahrer, als letzte Linie im Kampf um die Geheimhaltung.«
Paul begriff, worauf Sina hinauswollte. »Dann kamen die Chinesen drauf, dass es noch eine Hoffnung gab, das große Geheimnis wiederzufinden.«
»Richtig, sie waren aber darauf angewiesen, dass jemand die Hinweise für sie interpretierte, die richtigen Schlüsse zog, die notwendigen Kenntnisse mitbrachte. Vielleicht haben sie es ja auch schon selbst versucht, irgendwann, und sind auf die Bewahrer mit dem sechszackigen Stern getroffen. Also mussten sie eine andere Taktik finden.« Sina verstummte.
Wagner ergänzte: »Die neue Taktik waren wir, habe ich Recht?«
»Ja, ganz genau, die neue Taktik waren wir, Paul, und bisher hat sie funktioniert. Wir sind dem Rätsel Friedrichs auf der Spur, aber die Chinesen wissen trotzdem noch mehr, als sie uns verraten haben. Es können nicht nur die Hinweise allein sein, es muss noch etwas anderes geben.« Sina stützte sich auf den runden Tisch in dem mit Waren vollgestopften Geschäft und überlegte. Tschak schnüffelte derweil begeistert an dem Regal mit den Hundefutterdosen und Kauknochen.
»Ich glaube wirklich, wir müssen mit jemandem sprechen, der mehr über den ersten Kaiser von China Bescheid weiß, der uns alles über ihn und seine Zeit erzählen kann, der uns vielleicht die Gemeinsamkeiten zwischen Friedrich und ihm aufzeigt. Professor Meitner ist auch kein Spezialist dafür.«
Wagner bestellte sich noch eine Melange und ging im Geist die Liste seiner Kontakte durch. »Warter Georg, mir fällt gerade etwas ein. Es gibt in der Nähe von Wien ein Missionshaus St. Gabriel, in dem ein Altersheim für in die Heimat zurückgekehrte Missionare eingerichtet wurde. Das ist ein ruhiger Platz, wo viele Priester ihren Lebensabend verbringen, die in allen Teilen der Welt den christlichen Glauben verbreitet haben. Vielleicht finden wir da einen alten Missionar, der sein ganzes Leben in China verbracht und sich mit der Geschichte und der Kultur des Landes beschäftigt hat. Außerdem liegt das Ordenshaus auf dem Weg nach Süden, also auf unserem Weg zur Erleuchtung.«
Sina holte Tschak, der genussvoll an einer Dauerwurst kaute, hinter der Verkaufstheke hervor und warf der entschuldigend lächelnden Verkäuferin einen strafenden Blick zu. »Gute Idee, Paul. Hol mich ab und wir fahren gleich los. Es ist an der Zeit, dass wir den Vorsprung der Chinesen aufholen.«
Israelische Botschaft, Wien – Döbling/Österreich
V alerie stellte den »Pizza-Expresss« im Hof der Botschaft ab und ging direkt in die kleine Wohnung, die ihr während ihres Einsatzes in Wien zur Verfügung gestellt worden war. Sie ließ sich aufs Bett fallen, verwirrt und verärgert. Verwirrt, weil Paul Wagner so offen und ehrlich zu ihr gewesen war und sie nicht den Eindruck hatte, dass er ihr etwas vorenthalten wollte. Der Reporter und der Wissenschaftler waren wirklich auf der Suche, aus persönlicher Neugier, aus Ehrgeiz, ein Rätsel zu lösen, das ihnen ein alter Kaiser vor fünfhundert Jahren gestellt hatte. Sie wussten nicht einmal, was sie am Ende erwarten würde.
O nein, sie haben noch keine Ahnung, wie groß die Last der Entscheidung sein wird, dachte Goldmann. Aber sie müssen den ganzen Weg gehen, wohin er sie auch führt.
Dabei fiel ihr Shapiro ein, sie griff verärgert zum Telefon und verlangte eine sichere Leitung in die Zentrale des Mossad in Tel Aviv. Keine Minute später drang die Stimme des Leiters der Metsada an ihr Ohr.
»Hallo, Major Goldmann, wollten Sie Ihren ersten Bericht durchgeben? Wie war Chemnitz?«
»Bewegt und kalt«, meinte Valerie einsilbig. »Aber es ist alles so gelaufen, wie Sie es geplant hatten. Vor allem die Überraschung …« Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Shapiro verwirrt.
»Ich habe ein
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