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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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löste sich aus der Runde und eilte auf den Koordinator der Ausgrabungen zu.
    »Ingenieur, ich habe Sie schon gesucht, wir sind bei einem ganz entscheidenden Schritt angelangt. Wir haben den Eingang zur Grabpyramide des Kaisers freigelegt und werden in wenigen Minuten die Ortungsgeräte in die richtige Stellung gebracht haben, um Näheres über den Inhalt des Hügels sagen zu können.« Man Ho sah den Enthusiasmus in den glänzenden Augen des kleinen, hektischen Wissenschaftlers, der keine Minute stillstehen konnte und ununterbrochen in Bewegung war.
    »Was haben Sie in der vierten Grube gefunden, Professor?«, erkundigte sich Man Ho neugierig und sah einen seltsamen Ausdruck über das Gesicht des Wissenschaftlers huschen.
    »Hmm, das ist schwer in einem Satz zu sagen und ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Wie Sie wissen, ist die vierte Grube leer, während alle Soldaten in den anderen drei Gruben erhalten sind.«
    Man Ho nickte.
    Der Professor schaute ihm in die Augen und überraschte ihn mit seiner nächsten Frage. »Wie gut kennen Sie die Geschichte und das Leben von Qin Shihuangdi? Kennen Sie seine Expeditionen, seine Reisen durch sein neues Reich, seinen Glauben?«
    Man Ho zuckte mit den Schultern und kam sich vor wie bei einer Prüfung. »Ich glaube, wir haben uns alle seit zwei Jahren mit nichts anderem beschäftigt als mit dem Leben und Wirken des Kaisers«, gab er zu bedenken.
    Professor Wu lächelte nachsichtig. »Das ist mir schon klar, aber ich spreche von etwas ganz anderem«, sagte der kleine Wissenschaftler ungeduldig und ging mit kurzen Schritten auf und ab. Dann trat er vor Man Ho hin und schaute ihn von unten her durch seine dicken Brillengläser an. »Lassen Sie es mich so formulieren. Wir haben die Abdrücke von 1735 Terrakotta-Soldaten und 24 Streitwagen mit 96 Pferden auf dem Boden der Grube vier gefunden. Sie sind nicht mehr da. Aber sie waren da und jetzt sind sie weg.«
    Bevor Man Ho etwas erwidern konnte, schallten laute Rufe aus der Richtung der Technikergruppe vom Eingang der Grabpyramide. Professor Wu lief los und der Ingenieur folgte ihm hastig.
    Der Eingang war geöffnet worden und gebückt, mit einer starken Taschenlampe in der Hand, drang Professor Wu immer tiefer in den quadratischen, mit bemalten Ziegeln ausgekleideten Gang vor. Man Ho folgte ihm vorsichtig durch den fast knöchelhohen Staub. In den Legenden und historischen Berichten war immer wieder von verborgenen Armbrustschützen die Rede gewesen, von vergifteten Bolzen und von teuflischen Fallen. Aber sie stießen auf nichts dergleichen, bis die beiden Männer endlich vor einem großen metallbeschlagenen Tor standen, das mit vier eindrucksvollen chinesischen Schriftzeichen verziert war, um die sich ein roter Drache wand. Schichten von Spinnweben spannten sich über die Tore, während die glasierten Ziegel der Einfassung glänzten, als seien sie erst gestern gebrannt worden.
    Ehrfurchtsvoll standen Man Ho und Professor Wu vor dem hohen Tor, das mit drei Schlössern und einem Riegel gesichert war. Gerade als der Ingenieur zu sprechen beginnen wollte, quäkte sein Sprechfunkgerät los. Die Stimme war verzerrt, aber dennoch war die Aufregung des leitenden Technikers deutlich zu hören.
    »Sie sollten nicht weitergehen! Die Ergebnisse der Bodenproben sind soeben vorgelegt worden, es gibt eine hohe Quecksilberkonzentration im Boden rund um die Grabpyramide. Die zeitgenössischen Berichte vom Quecksilbersee und seinen Zuläufen, die aus einem riesigen Quecksilberreservoir gespeist werden, scheinen richtig zu sein.« Professor Wu schien enttäuscht und seltsamerweise befriedigt zugleich. Er strich mit einer fast liebevollen Geste über das glatte Holz des Tores und wischte mit einer Hand die Spinnweben von den vier chinesischen Schriftzeichen und dem roten Drachen, der unter der Wärme der menschlichen Berührung gleichsam lebendig zu werden schien. Ohne Man Ho anzusehen, meinte Wu schließlich:
    »Sie wissen zweifellos, was die vier Zeichen bedeuten. Auf dem rechten Torflügel steht ›ewiges Leben‹ und auf dem linken ›Unsterblichkeit‹. Der Drache ist das Symbol für den Kaiser.« Zum ersten Mal in zwei Jahren sah Man Ho den Professor bewegungslos und wie erstarrt stehen. Dann drehte er sich plötzlich um, ging wortlos an dem Ingenieur vorbei und der Schein seine Taschenlampe wurde im Dunkel des Ganges schnell kleiner.
    Als sie vor der Grabpyramide wieder zu der Gruppe von Technikern stießen, die sich um ihre

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