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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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möge Gott mit dir sein.«
    Der schmale, feuchte Gang unter der Prager Karlsbrücke auf der Stadtseite war nur wenigen bekannt. Er verlief ziemlich parallel zur Moldau und verband ein unscheinbar aussehendes, kleines Haus am Flussufer mit einem herrschaftlichen Palais mit frisch renovierter gelber Barockfassade. Beide Gebäude gehörten offiziell verschiedenen Institutionen, tatsächlich jedoch ein und derselben Organisation – dem Orden der Tempelherren vom flammenden Stern.
    Die Männer, die nun nacheinander den Gang betraten, um zu einem abhörsicheren unterirdischen Sitzungssaal zu gelangen, nannten sich selbst den »Rat der Zehn« oder »die Bewahrer«. Sie waren für ihre Aufgabe ausgebildet worden in der Tradition der »Assassinen«, der Männer vom Berg, die den Templern in den Kreuzzügen Angst und Schrecken eingejagt hatten. Keiner von ihnen zögerte auch nur einen Herzschlag lang, wenn es darum ging, seine Aufgabe zu erfüllen. Sie waren der innerste Kreis des Ordens, eine verschworene Gemeinschaft, die über die Jahrhunderte hinweg immer dann eingegriffen hatte, wenn es notwendig geworden war.
    Die Öffentlichkeit hatte sie in den letzten fünfhundert Jahren nie zu Gesicht bekommen, sie waren wie Schatten, unsichtbar, einem einzigen Ziel verpflichtet. Ein Geheimnis zu wahren und zu verteidigen, das so ungeheuer war, dass sie dafür töteten, ohne zu zögern, mit eiserner Entschlossenheit und ohne Reue. Sie durften sich nur gegenseitig die Beichte abnehmen. Wenn einer von ihnen starb, dann rückte der nächste, sorgfältig ausgesuchte und vorbereitete Kandidat nach. Sie waren in zwei Einsatzgruppen zu je fünf Mann eingeteilt, die traditionsgemäß einen Kommandierenden aus ihrer Mitte wählten.
    Der runde Tisch im unterirdischen Sitzungssaal war leer bis auf ein goldenes, barockes Kruzifix in seiner Mitte und eine Zeitung, deren Titelblatt groß ein Foto von Almouriel, der Burg und der Insel, zeigte. Ein Foto von hunderten toten Fischen, die von Beauftragten des Umweltschutzministeriums mit Keschern aus dem Wasser gefischt wurden, stand darunter.
    Als die zierliche Nonne den Sitzungssaal betrat, standen neun Männer auf und verneigten sich respektvoll vor ihr. Einer von ihnen war verhindert, eine Aufgabe erforderte seine Abwesenheit. Auf ein Zeichen hin nahmen die Männer wieder Platz und warteten schweigend. Die Nonne zog die Zeitung zu sich und legte sanft ihre flache Hand auf die beiden Fotos, als könne sie dadurch den Schmerz aufnehmen und lindern, den der Mord und der Umweltfrevel verursacht hatten.
    »Das, meine Brüder, ist eine Kriegserklärung und eine Warnung zugleich«, sagte sie ruhig, aber bestimmt, »und beides gilt uns.« Sie wandte sich an Kohout, der ihr am nächsten saß. »Aber bevor wir darüber beraten, erzähl uns von der Nachricht aus Wien, Bruder Franziskus.«
Innere Stadt, Wien/Österreich
    P aul Wagner und Georg Sina hatten sich im Café Diglas in eine ruhige Ecke zurückgezogen. Der Reporter hatte Sina überzeugen können, noch nicht direkt in seine Burg zurück zu kehren. Jetzt ließ er seine Beziehungen spielen, um an den Artikel der »Zeit« heranzukommen, den Mertens in der Stephanskirche erwähnt hatte, bevor er so plötzlich verschwunden war. Er hatte den Leiter des Archivs der Austria Presse Agentur angerufen und der war in den Tiefen der endlosen Regalkorridore offenbar fündig geworden.
    »Hast du die Ausgabe?«, fragte Wagner zufrieden. »Sehr gut. Nein, es geht nicht um die Ermordung Kennedys, es geht um einen alten Kaiser, Friedrich III. Du musst irgendetwas über ihn in der Ausgabe vom 21. Februar finden, ich habe keine Ahnung, was genau. Such einfach im Chronik-Teil, Friedrich wird ja nicht in den Tagesaktualitäten erwähnt werden.«
    Sein Gesprächspartner schwieg und Wagner hörte ihn blättern.
    »Ja, Feuilleton ist auch gut …« Wagner zeichnete Strichmännchen auf das Blatt Papier vor ihm, während Sina die Fotos aus der Stephanskirche genauer betrachtete. Der Reporter hatte sie auf seinen Laptop überspielt und Sina versuchte, sich in dem Trubel des Kaffeehauses zu konzentrieren. Er vermisste die Ruhe seiner Burg und die Abgeschiedenheit des Waldviertels.
    »Ja? Sehr gut! Leg los …« Wagner fing an zu schreiben und sein Gesicht ließ erkennen, wie überrascht er war. Als er auflegte, hielt er das Blatt hoch. »Hör zu, Georg, das ist seltsam. Unter dem Titel › Nichts drin ‹ berichtete die ›Zeit‹ damals Folgendes: »Mit Röntgenuntersuchungen hat

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