Ewig
man festgestellt: Kaiser Friedrich III., gestorben 1493, bestattet 20 Jahre später im Wiener Stephansdom, liegt nicht in seinem Grab. Auch nicht eine Spur von Gebeinen hat sich unter dem Grabmal gefunden, das von dem niederländischen Bildhauer Niklas Gerhärt van Leyden stammt. Nachforschungen in den Domarchiven ergaben ebenfalls keinerlei Aufschluss, wo die kaiserlichen Knochen geblieben sein könnten. Experten vermuten: Vor lauter Begeisterung über das schöne Denkmal hätten die Geistlichen damals vergessen, Friedrich III. auch hineinzulegen.«
Sina schüttelte unmutig den Kopf. »Der letzte Satz ist Humbug. Die Experten möchte ich gerne kennen lernen, die so einen Blödsinn behaupten. Ein Kaiser bleibt ein Kaiser, auch wenn er tot ist.«
Wagner sah Sina an. »Kannst du mir dann sagen, wo Friedrich geblieben ist?«
Der Wissenschaftler zuckte mit den Schultern.
Der Reporter drehte den Laptop zu sich. »Langsam wird das alles immer rätselhafter. Wir müssen noch einmal mit Mertens sprechen, der weiß viel mehr, als er uns gesagt hat. Er hat doch erzählt, er wohne nicht weit entfernt von hier.« Wagner wählte die Nummer der Auskunft und hatte bald die Telefonnummer und die Adresse von Mertens herausgefunden. Als er bei der angegebenen Nummer anrief, meldete sich jedoch niemand.
»Wir gehen auf dem Weg zum Wagen später bei ihm vorbei, es sind keine fünf Minuten von hier«, meinte er zu Sina, der sich in das Monogramm des Kaisers vertieft hatte, das groß auf dem Bildschirm des Laptops prangte. Beide Männer blickten fasziniert auf die geheimnisvollen Zeichen.
»Auf den ersten Blick jede Menge versteckte Buchstaben und eine einzige Zahl – die Fünf. Ich erkenne AEIOU, wobei das O wie eine Mittelachse mit Kreuz aussieht, wie das X auf einer Schatzkarte.« Paul Wagner war in seinem Element. »Das große M in der Mitte hat ungleiche Schenkel, was auf eine Absicht schließen lässt – ein Hinweis auf Geometrie. Wir sollten einmal versuchen, Dreiecke oder Kreise zu zeichnen und schauen, wohin uns das bringt. Das Monogramm ist nicht symmetrisch, das eingerollte Zeichen unter dem O ist kein G, das ist ein Symbol.« Wagner dachte kurz nach. »Das Kreuz im O erinnert mich an ein Templerkreuz, aber um 45 Grad verdreht. Das C und das S liegen genau an den Schnittpunkten der Querlinie und des M oder V.«
Sina lächelte. »Dafür, dass ich eigentlich der Fachmann für Herrscher-Monogramme bin, hast du dich wacker geschlagen, Paul. Eines jedoch ist dir nicht aufgefallen – wo steht denn der Name des Kaisers? Ein Monogramm besteht normalerweise aus zwei Buchstaben, dem Anfangsbuchstaben des Vornamens und dem des Nachnamens. So hatte Kaiser Heinrich III. ein H mit integriertem römischen Dreier oder Mark Twain hatte ein M mit einem T in der Mitte.«
Wagner nickte und schaute noch einmal Friedrichs Monogramm an. »Das F kann ich noch erkennen, aber sonst …« Er zuckte die Schultern und klappte den Laptop zu. »Diese Rätsel werden wir nicht jetzt und hier lösen. Komm, lass uns bei Mertens vorbeigehen und dann …«
»… bringst du mich wieder nach Hause«, vollendete Sina den Satz. »Ich muss meine Gedanken ordnen und in ein paar Büchern meiner Bibliothek nachschlagen. Und ich brauche Ruhe.«
Vom Café Diglas zur Wohnung von Mertens am Franz Josefs Kai 25 waren es keine zehn Minuten zu Fuß. Das Haustor war verschlossen und Wagner wollte an der Gegensprechanlage bei Mertens läuten, als eine junge Frau mit einem Kinderwagen aus dem Haus kam. Sina hielt ihr das Haustor auf und die beiden Männer ergriffen die Gelegenheit und schlüpften in das Treppenhaus. Mertens musste in einem der oberen Stockwerke wohnen, sein Klingelschild auf der Gegensprechanlage war eines der obersten gewesen.
Es roch nach Butterschmalz und Schnitzel, als Sina und Wagner die Treppen hoch bis unters Dach stiegen. Mertens’ Wohnung war die letzte vor dem Dachboden, eine grün lackierte Tür mit messingfarbenem Türklopfer, davor eine Fußmatte mit »Cave Canem« in ebenfalls grünen Buchstaben. Als Wagner klingeln wollte, stieß er mit der Schulter an die Tür und merkte, dass die Wohnungstür einen Spalt breit offen stand. Mit einem Blick auf Sina, der die Brauen hochzog, drückte er sie weiter auf und trat in einen kurzen, mit zahllosen kleinen Bildern dekorierten Flur.
»Herr Mertens? Sind Sie zu Hause?« Die beiden Männer sahen sich an. Wagner öffnete einfach die erste Tür an der rechten Seite. Es war ein weiß gekacheltes
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