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Ewig

Ewig

Titel: Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer , David G. L. Weiss
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Forschung mit Metallen und Pflanzen, Edelsteinen und Mineralien, verborgenen Substanzen und nie vorher destillierten Stoffen habe ich endlich gefunden, wonach ich gesucht hatte.« Brahe unterbrach das Schreiben und ein Fieberschauer schüttelte ihn. Eine Magd kam in den Raum, legte ihm ein kühlendes Tuch auf die Stirn und er beruhigte sich wieder. Nur noch ein paar Stunden, gib mir noch ein paar Stunden, betete er zu Gott. Dann schrieb er weiter.
    »Ich wäre immer bereit gewesen, meine Entdeckungen mit Prinzen und noblen Herren zu diskutieren, die sich ihrer würdig erwiesen hatten. Aber ich fand keine, bei denen ich mir sicher war, sie würden das Wissen nicht dazu benutzen, sich selbst Vorteile zu verschaffen. Also schwieg ich und behielt meine Forschung für mich. Es ist zu gefährlich, diese Kenntnisse preiszugeben und sei es auch nur im kleinsten Kreis. Obwohl viele Menschen behaupten, Alchemie zu verstehen und sie mit dem gebührenden Respekt zu praktizieren, so ist es doch nicht vielen vergönnt, die Ergebnisse in einer heilsbringenden Art zu verwenden und …«
    Der Stift war Brahe aus den Fingern geglitten und seine Augen schlossen sich. Schlief er? War er schon tot?
    Als die Magd einige Zeit später abermals vorsichtig das kühlende Tuch auf seiner Stirn wechselte, brachte sie ihr Ohr ganz nahe an seinen Mund. Sie musste ihren Ekel überwinden vor dem klaffenden Loch mitten in seinem Gesicht, das sonst seine künstliche Silbernase verdeckte, eine entstellende Erinnerung an jenes Bubenstück am Fechtboden während seiner Studienzeit. Die Bedienstete verzog zwar das Gesicht, aber wusste genau, die Prothese aus Silber würde ihrem Herrn den Atem nehmen. Noch atmete der bekannte Astronom und Mathematiker und so ließ sie ihn schlafen, zog sich leise zurück.
    Kaum zwei Stunden später war Brahe wieder bei Bewusstsein und sein Geist war überraschend klar. Er dankte Gott für diese Gnade und las, was er bisher geschrieben hatte, tauchte dann die Feder wieder in die rote Tinte und fuhr fort.
    »Eine ganze Insel hatte mir der dänische König verfügt, damit ich meine Forschungen betreiben konnte. Ein Schloss und ein Observatorium ließ ich bauen und alle Welt schaute auf die Sternwarte und nicht darauf, was sich im Schloss ereignete. Stjerneborg war der Geburtsort einer neuen Astronomie, mein Schloss das Tor zur Hölle oder zum Himmel, je nachdem, wie man es sehen mag.« Brahe lächelte trotz seiner Schmerzen. Sie hatten ihn mit Quecksilber vergiftet, wie passend. Der eine schwamm auf einem Quecksilbersee und er, Tyho Brahe, kam darin um.
    Ein blutiger Brechdurchfall verkrampfte seinen Körper. Er hatte nicht mehr viel Zeit, das spürte er. Teils interessiert, teils mit Grauen betrachtete er das schwarze Quecksilbersulfid in seinem Auswurf. Möge ich nicht vergebens gelebt haben, dachte er nochmals und setzte mühsam sein Vermächtnis fort.
    »Möge Gott mir vergeben, meine acht unehelichen Kinder, meine Wollust und meinen Jähzorn, meine Ausschweifungen und meine Streitsucht. Möge er mir in der ewigen Abrechnung zugute halten, dass ich sein Geheimnis niemals verraten habe …«
    Der Gelehrte starb mitten im Schreiben, die Feder glitt ihm aus der Hand und fiel auf den Boden, die Hand mit den dicht beschriebenen Blättern erschlaffte auf der dünnen Decke.
    Der Geistliche, der in diesem Moment durch eine verborgene Tapetentür das Zimmer betrat, hielt sich nicht damit auf, dem Astronomen die letzten Sterbesakramente zu spenden. Er fühlte nach dem Puls an der Halsschlagader. Als er keinen Herzschlag mehr spürte, nahm er die Blätter aus Brahes Hand, faltete sie und steckte sie in seine Soutane. Das Quecksilber hatte offensichtlich gewirkt.
    Er schaute sich noch einmal um, dann verließ er lautlos den Raum, trat durch einen Nebenausgang in den weitläufigen, gepflegten Park des Hauses und überquerte mit einem Sprung die niedrige Buchsbaumhecke, die den Besitz vom angrenzenden Wald trennte. Dabei verlor er ein seltsam geformtes Amulett – einen handtellergroßen sechszackigen Stern aus Silber, dessen Aussparungen an der Oberfläche mit roter Farbe gefüllt waren. Erst Wochen später fand ein Gärtner den Stern und brachte ihn seiner Frau mit, die ihn noch jahrelang bis zu ihrem Tod als Anhänger ihrer Halskette trug.
    Als man den großen Astronomen und Gelehrten Brahe tot in seinem Bett entdeckte, wunderten sich alle, wo die Papiere hingekommen waren, an denen er bis zuletzt gearbeitet hatte. Die Feder auf dem

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