Ewig
verstehe, Ihnen sind die Hände gebunden und Ihr Chef hat Sie zurückgepfiffen. Exterritorial, diplomatische Verwicklungen, keine Ermittlungen. Kenne ich alles zur Genüge.« Berner schwieg zur Bestätigung.
Wagner dachte nach. »Und was kann die freie Presse für Sie tun?«, fragte er dann.
Berner blieb noch immer stumm. Nach einer Weile meinte der Kommissar leise: »Wie wär’s mit ein bisschen Nervosität säen, Nerven blank legen, den Presseattaché quälen, auf Zermürbungstaktik setzen. Die Muskeln der Presse spielen lassen. Das muss ich Ihnen doch nicht beibringen, Wagner. Machen Sie einmal etwas Positives.«
»Ich denke drüber nach, versprochen«, antwortete der Reporter, »aber ich muss jetzt Schluss machen, sonst kauft Sina wieder zu viel ein.« Damit legte er schnell auf, blieb aber noch nachdenklich auf den Stufen sitzen, das Handy in der Hand, bis die Ladentür aufging und Georg Sina ihn ins Geschäft holte.
»Die Chinesen?« Der Wissenschaftler schaute Paul Wagner ungläubig an, während er die Satteltaschen mit den Einkäufen füllte. »Berner glaubt, die chinesische Botschaft hätte etwas mit dem Mord in der Ruprechtskirche zu tun?«
Wagner erzählte von dem Zeugen und den beiden Männern, die aus dem schwarzen Audi mit dem Diplomatenkennzeichen gestiegen waren.
Skeptisch schüttelte Sina den Kopf, zog sich aufs Pferd und blickte zu Wagner herunter. »Paul, du kennst so wie ich alle Einwände dagegen. Dieser Mord an und für sich ist schon skurril genug, jetzt auch noch die Chinesen? Ein bisschen weit hergeholt … Wir treffen uns oben.« Dann trabte der Haflinger an und Paul Wagner, die Hände in den Hosentaschen, spazierte hinterher. Was hätte er jetzt für eines seiner Cross-Motorräder gegeben! Dann wäre Sinas Haflinger vor Schreck von der Straße gesprungen. Wagner lachte bei dem Gedanken leise vor sich hin.
Die Luft war kalt, aber klar und der Himmel von einem Blau, das den Frühling zaghaft ankündigte. Keine zehn Minuten später bog der Reporter von der Straße ab und begann den Aufstieg zur Burg. Je steiler der Weg wurde, desto mehr beneidete er Sina um seine Pferdestärke. So viel Bewegung in frischer Luft konnte nicht so gesund sein, wie alle immer behaupteten. Er fühlte sich lustlos. Seine Gedanken kreisten um das Rätsel, das ihnen der oder die unbekannten Täter aufzwingen wollten. Er war genauso ratlos wie Sina und der Anruf von Berner hatte nichts dazu beigetragen, den Schleier auch nur ein klein wenig zu lüften. Im Gegenteil, alles war noch komplizierter und verwirrender geworden.
Wagner ertappte sich bei dem Gedanken, einfach aufzugeben, alles zu vergessen und sich einem anderen Thema zuzuwenden, Sina in seiner Burg allein zu lassen und nach Wien zurückzufahren. War es der Kater oder woran lag es? Eine Umweltkatastrophe in Portugal war in aller Munde und in allen Nachrichten, warf Fragen auf, schien mit dem rätselhaften Mord an der spanischen Studentin viel dramatischer zu sein als der erschossene Fremdenführer in der Ruprechtskirche. »Vielleicht war das alles nur Zufall, der Tote und der Audi«, sagte er leise zu niemanden im Besonderen. Er horchte in sich hinein, lauschte seiner inneren Stimme, die meist Recht hatte. Aber diesmal, wo er sie dringend gebraucht hätte, schwieg sie.
Wagner erreichte die Zugbrücke, ging durch das Burgtor in den Hof, als Georg Sina den Haflinger wieder in den kleinen Stall zurückbrachte, ihn kurz abrieb und Hafer in seine Krippe streute. »Komm, Paul, du schaust durchfroren aus, ein Tee wird uns guttun«, meinte Sina und beide machten sich auf den Weg in die Küche. Seit er wieder in seiner vertrauten Umgebung war, kam Wagner sein Freund ruhiger und ausgeglichener vor. Langsam konnte er verstehen, warum er hier lebte, was in ihm vorging.
»Georg, was hältst du davon, dass wir es einfach bleiben lassen. Vielleicht hast du Recht und das führt alles nirgendwo hin, ergibt keinen Sinn oder wir sehen ihn einfach nicht. Ich glaube, ich fahre zurück nach Wien und kümmere mich um andere Dinge.« Paul Wagner hatte beschlossen, seine Entscheidung von Sina abhängig zu machen. Er beobachtete seinen Freund bei der heiligen Handlung der Teezubereitung und verspürte eine innere Ruhe, die sich wie eine warme Welle durch seinen Körper schob. Sina blickte nicht auf und schaufelte gedankenverloren einen Löffel Tee nach dem anderen in die große, irdene Teekanne.
»Ich habe gerade an das Gleiche gedacht, Paul. Und gestern hätte ich dir sicher
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