Ewiger Schlaf: Thriller
geschehen würde. Würde ein Pathologe aus Natchez die Untersuchung machen? Oder würde man die Leiche nach Jackson schicken, in die Hauptstadt?
Und was würde die Autopsie ergeben? Hatte er Recht, was die Strangulation betraf? Oder gab es noch eine andere Möglichkeit? Er hatte Flecken auf ihrem Hals und Blutpunkte rund um ihre Augen gesehen. Aber was, wenn diese Spuren in den letzten Minuten ihres Liebesakts entstanden waren, als er sie auf die Matratze drückte? Was, wenn etwas anderes sie getötet hatte? Ein Herzinfarkt? Oder ein Schlaganfall? Natchez war eine kleine Stadt, und Waters kannte zwei Frauen in den Vierzigern, die in den letzten Jahren an Schlaganfällen gestorben waren. Lily glaubte, es habe mit der Antibabypille zu tun. Eve nahm die Pille nicht, sie hatte sich sterilisieren lassen. Außerdem war sie erst Anfang dreißig. Andererseits hatte sie ein wildes Leben geführt. Wer wusste schon, was alles möglich war? Vielleicht hatte Eve während der ganzen Zeit, die er sie gekannt hatte, Drogen genommen – es waren schließlich trotz allem nur zwei Wochen gewesen. Kokain verursachte häufig Herzinfarkte. So seltsam es auch schien, diese Gedanken hoben seine Stimmung. Die Alternative nämlich wäre, sich der Tatsache zu stellen, dass er eine Frau erwürgt hatte, die ihm sehr am Herzen lag.
Er ging zu seinem kleinen Kühlschrank, holte eine Flasche Wasser heraus und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. Schon diese paar Schritte fielen ihm schwer, und er wunderte sich zuerst darüber, bis ihm klar wurde, dass er letzte Nacht nicht geschlafen hatte. Er legte den Kopf auf den Schreibtisch und versuchte, den Sorgen Widerstand zu leisten, die den ganzen Tag an ihm genagt hatten.
»John? John!«
Waters schreckte hoch und sah in Sybils besorgtes Gesicht.
»Was ist?«
»Es ist halb sechs. Möchten Sie, dass ich noch bleibe?«
Waters blickte auf die Uhr. Er hatte zwei Stunden lang geschlafen. »Nein. Gehen Sie nach Hause. Es tut mir Leid. Ist Cole noch hier?«
»Nein, er ist gegen vier gegangen.« Sybil klang verärgert. »Er hat nicht gesagt, wohin.«
»Schließen wir ab und gehen nach Hause«, sagte Waters. »Ich will meine Tochter sehen.«
Sybil lächelte, doch ihr Blick blieb traurig. »Annelise ist ein glückliches Mädchen. Eines Tages wird sie das wissen.«
Ich hoffe, sie bleibt glücklich, dachte er.
Aus Gewohnheit hielt Waters am Briefkasten, als er in die Auffahrt einbog. Zwischen dem U. S. Geological Review und der heutigen Ausgabe von USA Today klemmten Werbung und Einladungen zu Partys. Gerade als er die Post auf den Beifahrersitz legte, tauchte ein viertüriger Diesel-Pick-up hinter ihm auf. Zuerst erschreckte ihn das plötzliche Erscheinen des Wagens, doch als ein sechzigjähriger Mann mit ledernem Gesicht ausstieg, beruhigte Waters sich und stieg ebenfalls aus, um dem Mann die Hand zu schütteln.
Will Hinson war Ölquellen-Checker. Gegen ein monatliches Entgelt überwachte er die täglichen Arbeiten an Ölquellen im ganzen Land. Obwohl er rund ein Dutzend Smith-Waters-Quellen überwachte, fand der Großteil der Kommunikation am Telefon statt.
»Wie geht es dir, John?«, fragte Hinson.
»Danke, gut, Will. Und dir?«
»Geht so. Ich möchte nicht stören, aber ich sah dich gerade hier reinfahren.«
»Ich freue mich, dass du gehalten hast. Ist alles in Ordnung?«
»Ja. Es gibt immer was zu reparieren, aber das ist nichts Neues, du bekommst ja die Rechnungen. Aber der Grund, warum ich gehalten habe – ich habe gesehen, dass die Förderpumpe an der Madam-X-Quelle abgebaut wurde.«
Waters blinzelte verwirrt. »Was sagst du da?«
»Ich dachte erst, dass ihr sie vielleicht austauscht, aber dann fiel mir ein, dass es eine Drei-zwanzig war. Mehr wolltest du sicher nicht hochpumpen.«
Waters fragte sich, ob Hinson allmählich unter der »Oldtimer-Krankheit« litt, wie Rose sie nannte. »Bist du sicher, dass es unsere war?«
»Ja. Ich arbeite zwar nicht an der Quelle, aber ich hab angehalten und das Team gefragt, was los ist, und die Jungs sagten, dass du und Cole die Förderpumpe an eine Firma aus Texas verkauft habt. Und dort wird sie jetzt hingeschickt. Oil City, Texas.«
Die Neuigkeit war schockierend genug, um Waters aus seinem Nebel zu reißen. »Dann muss ich sofort ein paar Anrufe machen. Jemand hat einen Fehler gemacht.«
Der ältere Mann nickte, doch es war offensichtlich, dass er noch mehr zu sagen hatte.
»Was ist, Will?«
»Ich an deiner Stelle ... würde zuerst meinen
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