Ewiges Verlangen
Teil des Menschseins war, und für Sara ungefähr jeden zweiten Monat kein unbekanntes Gewässer, aber das beständige, überwältigende Verlangen nach diesem Mann, diesem nichtmenschlichen Mann, schien ihr unmäßig und, ehrlich gesagt, außerhalb dessen, was sie als normal bezeichnete. Vielleicht unterlag sie einer Art Bann. Einem Vampir-Voodoo.
Sie lächelte über ihre Verrücktheit, machte sich rasch fertig und verließ das Badezimmer. Sie hatte sich ein Handtuch umgeschlungen, betrat den Alexanders Bad angeschlossenen, großen begehbaren Kleiderschrank und suchte nach einer Art Morgenrock, der genügen würde, bis sie ihre gestrige Kleidung wieder anziehen konnte. Aber was sie dort sah, ließ sie innehalten, und ihr fiel beinahe das Handtuch zu Boden. Ihre gesamte Kleidung, jedes einzelne Stück, jedes Paar Schuhe, hing auf Bügeln, lag gefaltet im Schrank oder stand in einer Seite desselben. Er hatte alle ihre Sachen hierhergebracht und sie neben seinen eingeordnet. Diese Vertraulichkeit, das süße, unbehagliche Versprechen dieser Geste, ließ sie fasziniert, voller Vorahnungen erschaudern. Was erwartete er, wie lange sie bleiben würde? Wie lange wollte er, dass sie blieb?
In seinem Zimmer, in seinem Bett …
Die Uhr an der Wand drängte sie zur Eile, und sie schlang ihr Haar zu einem losen Knoten, deckte die Prellung auf ihrem Gesicht mit etwas Make-up ab, schlüpfte in einen schwarzen Bleistiftrock, einen weißen Pullover und Schuhe, ergriff ihre Handtasche und eilte zur Tür.
Draußen im Flur arbeitete ein junger Mann, der mehrere eher ungewöhnliche Metallabdeckungen an den Fenstern befestigte. Er schaute nicht von seiner Aufgabe auf und bemerkte Sara nicht, so dass sie weiterging, eine Ecke umrundete und hoffte, eine nahegelegene Treppe zu finden. Aber sie lief in ihrer Eile unmittelbar in jemanden hinein. »Oh!« Sie wich rasch zurück und entschuldigte sich. »Es tut mir leid. Ich …«
»Ist schon in Ordnung. Kein dauerhafter Schaden entstanden.«
Während Sara versuchte, wieder zu Atem zu kommen, betrachtete sie die schwarzhaarige Frau, die sie beinahe umgerannt hätte. Sie war ihr völlig fremd, war aber eine der wunderschönsten Frauen, die Sara jemals gesehen hatte. Sie wirkte wie Anfang zwanzig und war ein gutes Stück kleiner als Sara, aber ihr Gesicht und ihre Figur glichen ihre Größe wieder aus. Sie hatte sehr helle Haut und Augen von der Farbe sonnenbeschienenen Grases, trug hübsche weiße Schals um Hals und Handgelenke sowie ein schlichtes schwarzes Kleid, das ihre Hüften und Brüste auf eine Weise betonte, um die Marilyn Monroe sie beneidet hätte.
Sie lächelte Sara zu und streckte eine wunderschöne, helle Hand aus. »Bronwyn Kettler.«
»Hi.« Sara schüttelte der Frau die Hand und erwiderte ihr Lächeln. »Sara Donohue.«
»Sie sind ein Mensch?«
Die Frage und deren Beiläufigkeit entlockten Sara ein Lachen. »Ja. Was wohl bedeutet, dass Sie kein Mensch sind.«
»Manchmal wünschte ich, ich wäre es. Wie steht es?« Das Lächeln der Frau vertiefte sich, so dass zwei entzückende Grübchen und die Spitzen zweier sehr weißer Fänge sichtbar wurden. »Wollen Sie hinunter? Dann gehe ich mit Ihnen.«
»In Ordnung«, sagte Sara, während sie auf die Treppe zugingen. »Also … arbeiten Sie hier?«
»Nein. Ich bin wegen einer Eheleite mit dem ältesten Roman-Bruder hier.«
»Eine Eheleite?«, wiederholte Sara. Die Reihe der Vampirwörter wuchs beständig an. Vermutlich sollte sie eine Liste anlegen, dachte sie.
»Es ist eine Vampirsache«, erklärte Bronwyn und zuckte die Achseln, was ihre sehr realen, sehr perfekten Brüste tanzen ließ. Sara war noch nie auf den Oberkörper einer anderen Frau eifersüchtig gewesen, aber sie hätte wirklich nichts dagegen gehabt, einen solchen Vorbau zu besitzen.
»Die Tradition der Eheleite besteht seit vielen, vielen Jahren«, fuhr Bronwyn fort, während sie die Treppe hinabgingen. »Sie würden es wahrscheinlich Partnerauswahl nennen. Exklusive Partnerauswahl.«
Der Schleier, in dem Sara während der letzten zwei Minuten gefangen gewesen war, wich jäh, und sie spulte die Unterhaltung im Geiste noch einmal ab, bis sie auf etwas stieß, das sie verwirrte. Sie blieb auf der letzten Stufe stehen, neigte den Kopf auf die Seite und fragte: »Moment mal. Der älteste Roman-Bruder?«
Bronwyn nickte. »Alexander.«
Saras Lächeln schwand ebenso wie jegliches Gefühl der Vertrautheit, das sie während der letzten halben Stunde empfunden
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