Ewigkeit
Er nahm sie noch einmal in die Arme. »Du bist ebenso sehr ein Soldat wie Vater«, sagte er. »Nur kämpfst du andere Schlachten.«
Olmy fühlte sich unter seinen Kameraden selbstsicherer und weniger durch die Verhältnisse beansprucht, als er erwartet hatte. Trotzdem war es gut, allein zu sein, wenn auch nur für ein paar Stunden. Er vermißte die Isolation des Waldes der vierten Kammer.
Er kehrte nicht in sein Apartment in Thistledown City zurück. Statt dessen hatte er zeitweilig nahe der Nexuskuppel Wohnung genommen. Jeder, der es vielleicht wollte, konnte ihn nach Wunsch ausspionieren. Er war sicher, daß man nicht entdecken würde, was er in seinen Implantaten trug.
Er war stark versucht, einfach still zu liegen und zu studieren, was sein Partial ihm mitteilte. Er widerstand aber diesem Verlangen und ging die schwierigen Schritte des reloso- Tanzes der Frants durch, den er vor mehr als einem Jahrhundert auf Timbl, der Heimatwelt der Frants, gelernt hatte. Er reckte die Arme und hob die Beine, bewegte sich in fließenden Drehbewegungen in der kleinen Wohnung von Ecke zu Ecke. Die Frant-Anatomie war an sich feiner und elastischer als die menschliche. Olmy mußte auf einige Grundbewegungen verzichten. Dennoch erfüllte der reloso seinen Zweck. Er fühlte sich danach entspannter und kräftiger.
»Jetzt werde ich stillsitzen und stumpf vegetieren«, erklärte er laut und hockte sich mitten in dem schlichten Wohnzimmer mit seinem weißen Mobiliar hin.
Der Austausch mit der Jart-Mentalität machte ruhige Fortschritte, seinem Partial entsprechend. In einigen weiteren Stunden würde mehr Information die Schranken passiert haben.
Es war beträchtlich, was er jetzt schon zu verdauen hatte. In seinen Implantaten war nicht mehr viel Platz, um das Material schneller zu verarbeiten. Zwischen dem Jart, seinem Partial, den verschiedenen Sperren und Sicherungen und der geklärten und gespeicherten Information waren die Implantate fast bis an die Grenze ihrer Fassungskraft gefüllt. Folglich ging seine Untersuchung langsam voran, in den Grenzen eines natürlichen Rhythmus’. Das hatte auch einige Vorteile; denn die Bearbeitung von Information durch Implantate war schnell und ließ manchmal die Querverbindungen eines mehr natürlichen Denkens vermissen.
Olmy schloß die Augen und badete in Jart-Philosophie. Bisweilen war es schwierig, die Begriffe in menschliche Sprache oder sogar Gedanken zu übertragen. In anderen Fällen schienen die Ideen direkt analog zu sein. Er brütete über der Möglichkeit, daß der Jart diesen Teil von sich freigab, um seinen Fänger zu überzeugen. Propaganda war sicher nicht von der Hand zu weisen.
Olmy wies seine Partiale an, den kulturellen und philosophischen Gedankenaustausch mit einem gleichen Nachdruck auf Überredung zu erwidern.
Jarts waren gierige Eroberer, viel mehr als Menschen. Während Menschen an Handel interessiert waren, schienen die Jarts es nur auf Herrschaft und völlige Unterjochung abgesehen zu haben. Sie waren nicht gewillt, Hegemonie mit Nichtjartwesen zu teilen, und machten nur dann Ausnahmen, wenn ihnen keine Wahl blieb. Zum Beispiel hatten Talsits mit Jarts Handel getrieben, ehe Menschen die erste Milliarde Kilometer des Weges wiedergewonnen hatten. Die Jarts mußten gewußt haben, daß es so gut wie unmöglich war, die schwer faßbaren Talsits zu unterwerfen. Talsits waren immerhin Repräsentanten einer viel älteren Rasse, noch geheimnisvoller – und sicher weiter fortgeschritten als die Jarts.
Die Frage war: Warum diese Gier? Was lag hinter dem Drang, alles zu kontrollieren?
Kommando hat Pflicht eingesetzt durch ›altes Kommando‹. Sammle und sorge dafür, daß jenes ›abstammende Kommando‹ die letzte Pflicht erfüllen kann. Dann gibt es Ruhe für Ausführer und alle anderen; und in der Ruhe werden wir wieder wir selbst werden, von Pflicht entlassen und das ›Bild überbeanspruchter Materialien‹ entspannen, das unser Denken und Sein darstellt. Warum tun Menschen das nicht?
Olmy versuchte, diese offenbar entscheidende Passage zu enträtseln. Sie hatte einen so formalen Anstrich, daß er vermutete, darin könnten gewisse Zitate aus einem ethischen oder halbreligiösen Werk der Literatur oder Indoktrination stecken.
Der Begriff ›abstammendes Kommando‹ war besonders reizvoll mit seinen Obertönen von Jart-Evolution, -Transformation und -Transzendenz. Seltsamerweise steckte in dieser Idee auch die einzige Andeutung, daß Jarts und andere
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