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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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viel früher, als er für seinen Anruf vereinbart hatte, aber er wollte dringend wissen, ob sein Mitarbeiter Fortschritte mit dem Radio gemacht hatte.
    Floyd ließ das Telefon eine halbe Minute lang klingeln, dann legte er auf und wartete ein oder zwei Minuten, bevor er es erfolglos noch einmal versuchte. Er gelangte zum Schluss, dass Blanchard anderswo sein musste, vielleicht oben in Susan Whites Zimmer, wenn er das Haus nicht sogar ganz verlassen hatte. Nach fünf Minuten versuchte er es erneut, aber auch diesmal nahm niemand ab.
    Floyd legte den Hörer zurück auf die Gabel, als ihm auffiel, dass etwas unter das kompakte schwarze Telefonpodest geschoben war. Es handelte sich um ein zusammengefaltetes Blatt Papier, das am Morgen noch nicht da gewesen war. Er zog es hervor, faltete es auseinander und erkannte sofort Custines saubere, schnörkelige Handschrift. Er las:
     
    Lieber Floyd,
    Ich hoffe und bete, dass du diesen Brief rechtzeitig entdeckst. Ich hätte ihn offen auf deinen Schreibtisch legen können oder sogar in deinen Briefkasten, aber aus Gründen, die gleich klar werden dürften, hielt ich das für keine besonders kluge Idee.
    Ich bin soeben per Taxi aus der Rue des Peupliers zurückgekommen. Ich befinde mich in großen Schwierigkeiten. Ich darf nicht zu viel sagen, denn je weniger du weißt, desto kleiner ist die Gefahr, dass meine Freunde vom Quai dich irgendwie damit in Verbindung bringen können. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass sie sich in Kürze mit dir in Verbindung setzen werden. Derweil muss ich mich absetzen. Ich fürchte, dass es nicht sicher für mich ist, in Paris zu bleiben. Ich werde versuchen, Kontakt aufzunehmen, aber um unser beider Willen bitte ich dich: Versuche nicht, mich ausfindig zu machen.
    Vernichte diesen Brief anschließend. Und pass verdammt gut auf dich auf.
    Dein Freund und Mitarbeiter AC
    P.S.: Ich glaube nicht, dass Heimsoeth und Rinke Schreibmaschinen herstellen.
     
    Floyd saß wie betäubt da. Er las den Brief noch einmal durch, in der Hoffnung, dass er sich den Inhalt nur eingebildet hatte, aber nichts veränderte sich. Etwas war passiert, und jetzt war Custine auf der Flucht.
    Er hatte das Gefühl, einen Drink zu brauchen. Er griff nach der Flasche, um sich einen Fingerbreit Brandy einzuschenken, stellte sie dann aber ungeöffnet auf den Tisch zurück. Was er wirklich brauchte, teilte ihm eine ruhige, emotionslose Stimme mit, war absolute Klarheit, und zwar schnell.
    Die Ermittlungen waren reibungslos vorangegangen. Sie waren an einer großen Sache dran – dessen war sich Floyd immer sicherer geworden –, aber nichts hatte ihn auf diese plötzliche, brutale Wendung vorbereitet. Was war nur geschehen? Er ließ die Ereignisse vor seinem inneren Auge Revue passieren und überlegte, was Custine heute vorgehabt hatte. Als er Custine am Morgen mit dem Werkzeugkasten vor Blanchards Haus abgesetzt hatte, war alles noch ganz normal gewesen. Der groß gewachsene Mann hatte beabsichtigt, noch einmal das Radio anzuschalten, für den Fall, dass erneut Morsezeichen zu hören waren. Er hatte auch vorgehabt, den fehlenden Mieter im zweiten Stock zu befragen und behutsame Vorstöße in der delikaten Frage anzustellen, ob Blanchard etwas mit dem Mord zu tun hatte. Der alte Mann wäre vielleicht zu Recht verärgert gewesen, wenn Custine mit einer Reihe taktloser Fragen herausgeplatzt wäre, aber das hätte Custine auf gar keinen Fall getan. Seine Quai-Erfahrung machte ihn sehr viel kompetenter in Sachen Takt und Fingerspitzengefühl als Floyd.
    Also was, zum Teufel, war passiert?
    Floyds Hände zitterten. Reiß dich zusammen!, wies er sich streng zurecht. Für Custine war es jetzt am wichtigsten, dass Floyd alles im Griff behielt. Wenn er nicht zu einem Nervenbündel zusammenbrechen wollte, musste er handeln, in Bewegung bleiben.
    Sein erster Impuls war, zur Rue des Peupliers zu fahren, aber er hatte ursprünglich nicht beabsichtigt, sich vor dem späten Nachmittag dorthin zu begeben. Was er derzeit am wenigsten wollte, war, irgendwie den Eindruck zu vermitteln, dass er eine Nachricht von Custine erhalten hatte. Aber als er bei Blanchard angerufen hatte, war niemand ans Telefon gegangen. Vielleicht war das ein hinreichender Anlass, den Mathis anzuwerfen und quer durch die Stadt zu fahren, auch wenn er den Brief auf seinem Schreibtisch nicht gesehen hätte … oder vielleicht wäre er nie auch nur auf den Gedanken gekommen, dass es ein Problem geben könnte.
    Tu etwas!, sagte

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