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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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umhereilenden Menschen in Métro-Stationen herumzulungern. Ein junger Mann mit karierter Jacke, flacher Mütze und Zigarette im Mundwinkel las gerade die Ergebnisse der Wettrennen in der Zeitung, und eine pummelige, aber hübsche junge Frau brachte ihr Make-up mit Hilfe eines kleinen Messingspiegels in Ordnung. Ihr gespitzter Schmollmund verriet absolute Konzentration.
    Auger sah erneut auf die Uhr. Sie konnte es nicht erwarten, die nächste Etappe hinter sich zu bringen. Aber es waren immer noch ein paar Minuten bis Mittag, und der Strom in den Gleisen war noch nicht abgestellt. Sie drückte ihre Handtasche fester an sich und beobachtete, wie nach und nach neue Fahrgäste auf dem Bahnsteig eintrafen. Sie war bis ans hinterste Ende gegangen, wo die Schienen in der Dunkelheit des Tunnels verschwanden. Eine Minute vor Mittag sah sie am anderen Ende des Bahnsteigs, wo eine Biegung die Sicht in den Tunnel versperrte, den Widerschein sich nähernder Zugscheinwerfer auf den Schienen. Mit kreischenden Bremsen und Rädern fuhr der Zug ein. Sie warf erneut einen Blick auf die Uhr und wartete ungeduldig, dass der Zug wieder abfuhr. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, wäre ein Zug, der zwischen dem Bahnhof und ihrem Zugangspunkt im Tunnel feststeckte.
    Der Zug fuhr weiter. Es war jetzt beinahe Mittag. Neue Fahrgäste trafen auf dem Bahnsteig ein, und der Zeiger ihrer Uhr teilte ihr mit, dass es Zeit war zu gehen. Der Zustand der Gleise änderte sich nicht sichtbar, aber sie hatte ohnehin nicht vor, sie zu berühren, um zu überprüfen, ob Aveling auch wirklich an alles gedacht hatte. Sie würde schnell genug erfahren, ob er seine Arbeit getan hatte.
    Auger handelte eilig, aber ohne übertriebene Hast. In einer einzigen flüssigen Bewegung ging sie an der Bahnsteigkante in die Hocke, schwang die Beine hinunter und ließ sich auf den verschmierten Betonboden nieder, auf dem die Schienen verlegt waren. Ihre Hände waren bereits schmutzig von Ruß und Öl, und zweifellos sah ihr Oberkörper auch nicht besser aus. Aber das spielte keine Rolle. Wenn alles nach Plan verlief, würde sie nicht mehr aus dem Tunnel zurückkehren, und niemand würde sich wundern, wie eine gut gekleidete junge Dame in einen solchen Zustand geraten war.
    Jemand rief etwas. Sie blickte sich um und sah, wie der Mann mit der Rennzeitung in ihre Richtung zeigte und ihm die Zigarette von der Unterlippe fiel. Das pummelige Mädchen senkte den Spiegel, um zu schauen, was los war. Aber Auger war bereits in die schützende Dunkelheit des Tunnels geschlüpft, wobei sie sich zwischen der Wand und dem Schienenstrang hielt. Sobald sie weiter als ein paar Meter in den Tunnel vorgedrungen war, würde sie niemand mehr sehen können. Dummerweise konnte auch sie kaum noch etwas sehen, und diesmal konnte sie nicht das helle Licht des Bahnhofs nutzen, um sich führen zu lassen. Den Rücken gegen die Wand gepresst, schob sich Auger so schnell wie möglich in die Schwärze vor. Sie versuchte, nicht an die Mäuse und Ratten zu denken, die zweifellos ganz in der Nähe vor ihren Füßen davonhuschten, oder an die tödliche Spannung, die möglicherweise doch noch in den Schienen lauerte. Schließlich musste sie etwa hundert Meter hinter sich bringen und hatte dafür weniger als zwei Minuten Zeit.
    Vor ihr leuchtete etwas in der Dunkelheit auf: ein blutrotes Licht, sehr schwach, aber es bewegte sich. Einen entsetzlichen Moment lang dachte sie, dass es sich um einen entgegenkommenden Zug handelte, obwohl die Bahn eigentlich von hinten statt von vorn hätte kommen müssen. Dann passte sich ihr Raumgefühl an, und sie erkannte, dass es nur eine Taschenlampe sein konnte, mit der jemand im Tunnel in ihre Richtung leuchtete.
    »Beeilen Sie sich, Auger«, hörte sie jemanden rufen. »Der Strom muss in dreißig Sekunden wieder eingeschaltet werden, und die Züge werden nicht viel später losfahren!«
    »Aveling?«
    »Bleiben Sie in Bewegung«, antwortete er. »Wir haben wirklich nicht viel Zeit.«
    »Ich glaube, jemand hat gesehen, wie ich in den Tunnel gestiegen bin.«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken.«
    Als sie weiterging, wurde das rote Licht langsam heller. Nun konnte sie die schwachen Umrisse einer Gestalt ausmachen, die an der Wand kauerte. Die Person schien viel weiter weg zu sein, als sie angenommen hatte – Stimmen trugen im Tunnel offenbar sehr weit.
    »Schneller, Auger«, zischte er.
    »Ich gebe mir alle Mühe.«
    »Gut. Stolpern Sie nicht, die Schienen stehen jetzt

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