Ewigkeit
Kriegsbaby einen Fuß auf den Hals. Nun war sie froh, dass sie es nicht geschafft hatte, die Absätze abzubrechen.
»Sprich zu mir«, sagte sie. »Erzähl mir verdammt noch mal, warum ihr im Jahr 1959 eine Resonanzantenne für Gravitationswellen bauen wollt und was das Ganze mit dem Silberregen zu tun hat.«
Die schwarze Zunge wand sich wie eine gefangene Made. Das Kind stieß einen gurgelnden Laut aus.
»Vielleicht solltest du deinen Schuh von seinem Hals nehmen«, schlug Floyd vor.
Auger bückte sich und nahm die Waffe des Kriegsbabys an sich. Sie erinnerte sich daran, dass der Ladestreifen noch voll sein musste, weil das Kriegsbaby schießen wollte, kurz bevor es von der Röhre gestürzt war.
»Ich will Antworten, du runzliges Stück Scheiße. Ich will wissen, warum Susan und all die anderen sterben mussten. Ich will wissen, was ihr Mistkerle mit dem Silberregen zu tun habt.«
»Es ist zu spät.« Das Kind presste die Worte zwischen gurgelndem Blut hervor. »Viel zu spät.«
»Aha? Und warum habt ihr es dann so eilig, jeden aufzuhalten, der sich zu genau für eure Machenschaften interessiert?«
»Wir tun das Richtige, Verity. In deinem Herzen weißt auch du es.« Das Kind hustete und spuckte ihr Blut ins Gesicht. »Diese Menschen dürften nicht existieren. Sie sind nur drei Milliarden Rasterpunkte auf einer Fotografie. Punkte, Verity. Mehr sind sie nicht. Zieh dich zurück, und sie werden zu einer amorphen Masse zerschmelzen.«
Sie dachte an ihren Traum vom Silberregen, der auf die Champs-Elysées fiel. Von den schönen Menschen, die sich aufrappelten und dachten, dass das Leben wie gewohnt weitergehen würde, und sich damit einer schrecklichen Illusion hingaben. Sie erinnerte sich an ihren Versuch, sie zu warnen. Sie erinnerte sich an den Jungen mit der Trommel, der zwischen den Knochen auf sie zu geschritten war.
Ihr wurde schwindlig, und plötzlich fühlte sie sich sehr kalt und schwach.
Auger drückte auf den Auslöser und tat etwas Grässliches mit dem Kriegsbaby.
Dann fiel sie auf die Knie und übergab sich.
Floyd half ihr behutsam auf und zog sie von der blutigen Masse zurück, die sie hinterlassen hatte.
»Es war kein Kind«, sagte sie. »Es war ein Ding, eine Waffe.«
»Mich musst du nicht davon überzeugen. Jetzt sollten wir von hier verschwinden, bevor die falschen Leute auf die Schüsse aufmerksam werden. Wir müssen dich in ein Krankenhaus bringen.«
»Nein«, sagte sie. »Du musst mich schnellstens nach Paris bringen. Das ist im Moment das Einzige, was zählt.«
Fünfundzwanzig
Floyd stand in einer öffentlichen Telefonzelle vor dem Gare du Nord. Es war Dienstagmorgen, und seinem Kopf ging es immer noch nicht besser. Da sie beide verletzt waren, aber nichts mit hilfsbereiten oder neugierigen Fremden zu tun haben wollten, war die Zugfahrt von Berlin langwierig und anstrengend gewesen. Es waren angespannte Momente gewesen, als man ihre Ausweise inspiziert hatte. Keiner von ihnen hatte es gewagt, auch nur ein Wort zu sagen, bis die Beamten weitergegangen waren. Floyd bezweifelte, dass er sich wegen seiner Verletzungen Sorgen zu machen brauchte, aber Augers Zustand gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte sie in der Wartehalle zurückgelassen, notdürftig verarztet und der Ohnmacht nahe, aber nicht gewillt, sich zu einer Klinik bringen zu lassen.
»Maillol«, sagte jemand am anderen Ende der Leitung.
»Inspektor? Hier ist Wendell Floyd. Können wir miteinander reden?«
»Natürlich können wir das«, sagte Maillol. »Es ist sogar so, dass ich sowieso mit Ihnen reden wollte. Wo waren Sie, Floyd? Anscheinend wusste niemand, wo Sie gesteckt haben.«
»In Deutschland, Monsieur. Jetzt bin ich wieder in Paris. Aber ich habe nicht viel Geld dabei und rufe aus einer Telefonzelle an.«
»Warum benutzen Sie nicht das Telefon in Ihrem Büro?«
»Ich dachte mir, dass es zu gefährlich sein könnte.«
»Sehr vernünftig«, sagte Maillol anerkennend. »Soll ich anfangen? Ich werde mich kurz fassen. Sie wissen von meiner Razzia gegen die Bootleg-Bande in Montrouge, nicht wahr? Dabei sind wir auf etwas Interessantes gestoßen. Einen Schwimmer.«
»Einen Schwimmer, Monsieur?«
»Eine Wasserleiche, Floyd. Sie schwamm mit dem Gesicht nach unten im überfluteten Keller des Lagerhauses, in dem wir die Werkstatt für illegale Schallplattenpressungen gefunden haben. Der Tote wurde inzwischen als ein gewisser Monsieur Rivaud identifiziert. Der Gerichtsmediziner sagt, dass er höchstens drei
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