Ewigkeit
Feigling in mir möchte es nicht wissen.«
»Der Feigling in uns beiden«, sagte Auger. »Falls es dich tröstet, Floyd – wenn es passiert, passiert es schnell und mit einem spektakulären Knall.«
Sie sah sich wieder die Zahlen an. Es ließ sich nicht verdrängen, dass sie nun dreißig Prozent schneller flogen als das Schiff, mit dem sie den Hinflug bewältigt hatte. Nach der geschätzten Ankunftszeit würde sich die Gesamtreisedauer auf weniger als zweiundzwanzig Stunden reduzieren. Von dieser Zeit waren schon etwa sechzehn Stunden vergangen. Und sie wurden keineswegs langsamer.
»Floyd«, sagte sie, »möchtest du gerne eine Pause machen? Ich kann das Schiff für eine Weile übernehmen.«
»In deinem Zustand? Danke. Ich glaube, ich kann die Augen noch ein paar Stunden lang offen halten.«
»Glaub mir, wir beide werden uns mächtig anstrengen müssen, wenn wir dieses Ding nach Hause bringen wollen.«
Floyd musterte sie eine Weile, dann nickte er. Als er den Griff um den Joystick lockerte und sich im Sitz zurücklehnte, fiel er beinahe im gleichen Augenblick in einen tiefen Schlaf. Es war, als hätte er sich endlich die Erlaubnis erteilt, das Bewusstsein zu verlieren, nachdem er sich so lange nur durch bloße Willenskraft zusammengerissen hatte. Auger fragte sich, ob er diese Fähigkeit während seiner Zeit auf See entwickelt hatte, und wünschte ihm schöne Träume, sofern er überhaupt noch die Kraft zum Träumen fand. Vielleicht wäre die Bewusstlosigkeit der angenehmste Zustand für sie beide, wenn das Ende kam.
»Finde eine Lösung«, sagte sie laut, als würde das die Sache vereinfachen.
Die folgenden vier Stunden waren die längsten, die sie je erlebt hatte. Sie hatte die letzte UR-Pille genommen und hoffte, dass sie das Richtige tat. In der ersten Stunde befand sich ihr Geist in einem leicht entnervenden Zustand der grellen Klarheit. Es fühlte sich an wie der Ton, der entstand, wenn man mit einem feuchten Finger am Rand eines Weinglases entlangfuhr – überempfindlich und nicht ganz vertrauenswürdig, sodass sie sich fragte, ob sie wirklich die richtigen Entscheidungen traf, auch wenn sie ihr absolut korrekt vorkamen. Als schließlich diese glockenklare Intensität dumpfer wurde und sich ihr Kopf wie benebelt anfühlte, als sie sich kaum länger als ein paar Sekunden auf ein bestimmtes Problem konzentrieren konnte, war es für sie fast eine Erleichterung. Wenigstens hatte sie jetzt den objektiven Beweis, dass ihr Verstand mit hoher Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt war. Sie konnte den Faktor ihrer Dumpfheit in die Berechnungen einbeziehen und nötigenfalls darauf Rücksicht nehmen. Offenbar war es ein Zeichen ihres zunehmenden Realitätsverlusts, dass sie diesen Aspekt sogar als kleinen Sieg für sich verbuchte.
Das Schiff bewegte sich jetzt noch schneller. Sie lagen bei fünfzig Prozent über der üblichen Tunnelgeschwindigkeit und wurden weiter beschleunigt. Inzwischen kam Auger gut genug mit den Zahlen zurecht, um ihre Austrittsgeschwindigkeit abschätzen zu können, und was sie sah, machte ihr Angst. Sie würden mit dem Doppelten des üblichen Tempos durch das Phobos-Portal herausschießen, und selbst diese Schätzung war eher tief angesetzt, da sich auch die Beschleunigungsrate vergrößerte, während die gequetschte Tunnelgeometrie immer wieder ruckhafte Veränderungen durchmachte. Die Mechanik der Eintrittssphäre wäre niemals in der Lage, mit einem so großen Bewegungsmoment zurechtzukommen. Der Transporter würde durch die Auffangvorrichtung und die Glassphäre krachen, gegen die plastiküberzogene Wand der Kammer knallen und erst mehrere Kilometer weiter innerhalb von Phobos zur Ruhe kommen. Jeder, der diese Katastrophe lebend überstand, konnte sich glücklich schätzen, von Auger und Floyd ganz zu schweigen.
Es würde verdammt spektakulär werden!
Aber das Tempo machte ihnen auch noch auf andere Weise zu schaffen. Die vorderen Sensoren waren bereits durch die Kollisionen im Tunnel beschädigt worden, doch selbst an den Stellen, wo es keine blinden Flecken gab, konnten die Sensoren nicht weit genug vorausblicken, um rechtzeitig vor Mikroveränderungen in der Tunnelstrukur zu warnen. Hindernisse und Faltungen, mit denen das Leitsystem normalerweise zurechtgekommen wäre – indem es das Schiff mit feinen, genau abgestimmten und treibstoffsparenden Schubimpulsen herumsteuerte –, näherten sich nun viel zu schnell, um darauf reagieren zu können. Dem Schiff gelang es zwar immer
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