Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds

Vom Netzwerk:

entnehmen, dass du eine Theorie hast, wieso wir überlebt haben«, fragte Floyd.
    »Avelings Leute müssen den Entschluss gefasst haben, Phobos zu zerstören«, sagte sie. »Dieser Fleck aus Staub und Gas ist alles, was noch vom Mond übrig ist. Offenbar wurden wir von den Gesteinstrümmern getroffen, aber es war nicht stark genug, um uns Schaden zuzufügen.«
    »Sie haben den ganzen Mond in die Luft gejagt? Ist das nicht eine etwas drastische Maßnahme?«
    »Es war die einzige Möglichkeit, uns zu retten. Sie haben offenbar unsere Bugwelle registriert und erkannt, dass wir viel zu schnell sind, um von der Eintrittssphäre aufgefangen zu werden. Die Sphäre hatte nur die Aufgabe, ein Vakuum vor der Wurmlochmündung zu schaffen. Wenn die Druckkammer weg ist – und damit auch Phobos – wird die Sphäre überflüssig. Wird sind sowieso ins Vakuum herausgekommen.«
    »Aber du hast doch gesagt, dass die Vorwarnzeit für unsere Ankunft nur sehr kurz gewesen sein kann«, sagte Floyd.
    »Sie scheinen genau für diesen Notfall einen Plan gehabt zu haben. In ein paar Minuten wurden alle Leute vom Mond evakuiert. Dann wurden Nuklearsprengsätze gezündet, die über den ganzen Mond verteilt waren und ihn auf Knopfdruck zerfetzten, damit wir ungehindert in den Weltraum gelangen konnten.«
    »All das in nur wenigen Minuten?«
    »Es gibt keine andere Erklärung, Floyd.«
    »Ich hätte da noch eine parat: Jemand anderer hat den Mond gesprengt, und unsere Ankunft hatte damit rein gar nichts zu tun.«
    »Nein, Floyd«, sagte sie geduldig, als würde sie einem Kind eine obskure Besonderheit der Erwachsenenwelt erklären. »Niemand anderer hat den Mond gesprengt. So etwas machen wir hier nicht. Im Moment mag die Lage etwas kritisch sein, aber niemand, der noch einen Funken Verstand besitzt …« Sie brach ab und stieß ein dumpfes Stöhnen aus.
    »Auger?«
    »Scheiße. Ich glaube, du könntest tatsächlich Recht haben.«
    »Ich hatte eher gehofft, dass du meine Vermutung widerlegst.«
    »In der Trümmerwolke fanden Explosionen statt.« Sie hatte sich an die Lichtblitze erinnert. »Als würde die Zerstörung noch eine Weile weitergehen. Als würde man dort immer noch kämpfen.«
    »Wer könnte diesen Mond gesprengt haben?«
    »Wenn es nicht mit Absicht geschah, wenn es keine Sprengsätze für den Notfall waren, dann können es nur die Slasher getan haben.« Sie folgte den langsamen Windungen ihres erschöpften Verstandes. Sie war zu müde, um noch klar denken zu können, sonst hätte sie die Idee, dass Phobos nur ihretwegen zerstört worden war, sofort wieder verworfen. »Dieser letzte Blitz«, sagte sie. »Der sehr helle …«
    »Ja?«
    »Ich glaube, das war der Tod des Wurmlochs. Wir sind die ganze Zeit vor dem kollabierenden Ende gesurft. Wir sind rausgekommen, dann hat das Ende die Mündung erreicht. Es war wie ein gestrecktes Gummiband, das man zusammenschnippen lässt. Ich glaube, der letzte Knall hat alles ausgelöscht, was in der Nähe der Trümmerwolke noch kampffähig war.«
    »Und was ist jetzt mit meiner Rückfahrkarte?«
    »Die kannst du vergessen. Die Verbindung existiert nicht mehr.«
    »Das habe ich mir fast gedacht.«
    »Das tut mir Leid, Floyd.«
    »Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich habe mich selbst in diese Situation gebracht.«
    »Nein, das stimmt nicht. Ich trage zumindest einen Teil der Verantwortung. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass du durch den Zensor gehst, und ich hätte dich auf gar keinen Fall an Bord dieses Schiffes nehmen dürfen.«
    »Stell dich den Tatsachen, Mädchen: Ohne mich wärst du nie nach Hause gekommen.«
    Darauf konnte sie nichts erwidern. Er hatte Recht. Ohne Floyds Hilfe wäre sie irgendwo in der nun kollabierten Röhre des Hypernetzes gestorben, in einem Feuerwerk in Stücke gerissen.
    »Trotzdem wird es dadurch nicht richtig«, sagte sie. »Ich habe dich unwiderruflich aus deinem Leben gerissen.«
    »Du hattest keine andere Wahl.«
    Sie berührte ihre Wunde. Sie war wieder heiß und empfindlich, als hätte sie sich erneut entzündet. Das UR, das sie genommen hatte, blieb nicht auf ewig im Körper. Die kleinen Maschinen hatten sich vermutlich längst von selbst aufgelöst und ihre Substanz dem chemischen Reservoir ihres Körpers gespendet. Sie war davon ausgegangen, dass sie fachkundig behandelt wurde, sobald das Schiff in der Eintrittssphäre herausgekommen war.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Floyd.
    »Nur etwas brüchig an den Rändern. Aber