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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Niagara rechtzeitig erreichen werden.«
    »Werden wir es merken, wenn es geschieht?«, fragte sie.
    »Würden Sie es gerne wissen?«
    »Ich würde gerne wissen, ob wir erfolgreich waren, bevor …« Sie sprach nicht weiter. Es war nicht nötig, dass sie das Offensichtliche beim Namen nannte.
    »Auf diesen Luxus werden Sie vermutlich verzichten müssen. Wir können nur raten, wie schnell sich der Antimaterie-Feuerball rückwärts durch den Tunnel ausbreiten wird, aber vermutlich wird es sehr schnell gehen. Uns wird keine Zeit mehr bleiben, den Sieg zu feiern. Dafür werden wir glücklicherweise genauso schnell sterben.«
    Auger musste nicht daran erinnert werden, dass sie praktisch ihr eigenes Todesurteil unterschrieben hatte, falls auch nur eine der Raketen durchkam. Sie versuchte, dieses Wissen beiseite zu drängen, aber es schob sich immer wieder in den Vordergrund ihrer Gedanken.
    »Werden Sie etwas spüren?«, wollte Floyd von Tunguska wissen.
    »Ich werde eine Ahnung haben«, sagte er. »Wenn der Feuerball die Hülle meines Schiffs trifft, müssten die Informationen der Sensoren meinen Kopf einen Augenblick vor der Vernichtungswelle erreichen.«
    »Gibt Ihnen das genug Zeit für einen Gedanken?«, fragte Auger, die ihre Hand fest mit Floyds verschränkte. »Genug Zeit, um einen Hauch von Trost zu finden, dass unser Opfer sich gelohnt hat?«
    »Vielleicht.« Tunguska sah sie lächelnd an. »Schließlich muss es kein besonders komplizierter Gedanke sein.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie beneide«, sagte Auger.
    »Vielleicht wäre es besser für Sie, es nicht zu tun. Ich könnte die Verbindung zwischen meinen neuralen Maschinen und den Hüllensensoren unterbrechen, aber ich glaube, dass ich nicht den Mut dazu aufbringe.« Er blickte wieder auf eine der Darstellungen an der Wand und musterte sie mit plötzlicher Unruhe.
    »Was ist los?«, fragte Auger.
    »Nichts, was ich nicht hätte erwarten müssen. Jetzt sind die Telemetrie-Übertragungen aller Raketen verstummt.«
    »Heißt das, die Raketen sind tot?«, fragte Floyd.
    »Nein. Jedenfalls nicht zwangsläufig. Es heißt nur, dass die Daten, die sie senden, nicht mehr zu uns gelangen. Wahrscheinlich können auch die Raketen unsere Signale nicht mehr hören. Sie müssten auf autonome Steuerung umgeschaltet haben.«
    »Irgendwie fand ich es besser, als wir noch wussten, dass sie definitiv irgendwo da draußen sind«, sagte Floyd.
    »Ich auch«, erwiderte Tunguska. Dann legte er seine Hand auf die von Floyd und Auger, und die drei saßen schweigend da, um darauf zu warten, dass etwas geschah – oder dass alles vorbei war.
    Die Stille konnte Auger überhaupt nicht ertragen. Sie hinterließ ein Vakuum in ihrem Kopf, in das viel zu leicht bestimmte Gedanken einsickern konnten. Sie wünschte sich den entspannenden Rhythmus eines normalen menschlichen Gesprächs, den Klatsch und Smalltalk. Sie wollte in der Lage sein, an etwas anderes zu denken als die tödliche Wand aus wütendem Licht, die Explosion, die vielleicht schon in diesem Augenblick auf sie zuraste, schneller, als sich Informationen über ihre Bewegung ausbreiten konnten. Schneller, als die mögliche Botschaft, dass sie erfolgreich gewesen waren. Wie lange war es her, dass die Raketen gestartet waren? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren; es hätten Minuten oder Stunden sein können. Doch als sie versuchte, etwas zu sagen, kamen ihr die Worte jedes Mal banal und unangemessen vor. Wenn jeder Moment ihr letzter sein konnte, gab es nichts, das die nötige Würde hatte, um dieser Situation gerecht zu werden. Schweigen war besser. Schweigen hatte eine eigene Würde.
    Sie sah die anderen beiden an – Floyd und den Slasher – und wusste, dass sie auf ihre Weise denselben Gedanken nachhingen. Als wollten sie genau dies stumm bestätigen, wählten sie alle genau diesen Moment, um sich fester die Hände zu drücken.
    Plötzlich veränderte sich schlagartig etwas mit den Darstellungen an der Wand. Kaum hatte Auger es bemerkt, als sich auch schon die Schlussfolgerungen in ihrem Kopf entfalteten. Eine der Raketen musste ihr Ziel getroffen haben, und nun hatte das Schiff das sich nähernde Höllenfeuer registriert …
    Doch die Stimmen in ihrem Kopf, die seit einiger Zeit geschwiegen hatten, sagten ihr, dass etwas ganz anderes geschehen war.
    Es war ebenfalls schlimm, aber es hatte eine andere, nicht ganz so scharfe Geschmacksnote.
    Im nächsten Augenblick – nach dem nächsten Ticken des mahlenden Uhrwerks

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