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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hob die Hand. Ein Nebel aus silbrig glitzernden Maschinen löste sich aus seiner Handfläche und bewegte sich auf Augers Kopf zu. Sie spürte, wie eine grelle Migräne einsetzte, als wäre ihr Schädel eine Festung, die von einer Armee in blitzenden Chromrüstungen gestürmt wurde. Dann spürte sie gar nichts mehr.
     
    Sie erwachte mit Kopfschmerzen, dem Gefühl des Fallens und einer Stimme in ihren Ohren. Sie redete in einer Sprache, die sie eigentlich gar nicht verstehen dürfte.
    »Wie heißt du?«
    »Ich heiße Auger … Verity Auger.« Die Worte kamen ihr mit unglaublicher Leichtigkeit über die Lippen.
    »Gut«, fuhr die Stimme fort, diesmal jedoch auf Englisch. »Sogar ausgezeichnet. Das lief wunderbar.« Es war Maurya Skellsgard, die sprach. Sie saß links von ihr in der engen Kabine, die sich, wie sie vermutete, im Hypernetztransporter befand. Rechts von Auger, auf dem letzten der drei Sitze, saß Aveling.
    Sie befanden sich im freien Fall.
    »Was geschieht hier?«, fragte Auger.
    »Sie haben Deutsch gesprochen«, sagte Aveling. »Niagaras kleine Maschinen haben Ihr Sprachzentrum umprogrammiert.«
    »Sie können jetzt auch Französisch«, fügte Skellsgard hinzu.
    »Ich konnte bereits Französisch«, gab Auger eingeschnappt zurück.
    »Sie hatten ein akademisches Verständnis für geschriebenes Französisch, in der Form, wie es in den späten Jahren des Leeren Jahrhunderts in Gebrauch war«, stellte Skellsgard richtig. »Aber jetzt können Sie es tatsächlich sprechen.«
    Augers Kopfschmerzen verstärkten sich, als hätte jemand soeben mit einer sehr kleinen Stimmgabel gegen ihren Schädel geschlagen und ihn zum Schwingen gebracht. »Ich hätte mich niemals einverstanden erklärt, diese …« Sie wollte das Wort Scheiße benutzen, aber es blieb irgendwo zwischen ihrem Gehirn und ihrem Kehlkopf stecken. »Dieses schauderhafte Zeug in mich hineinzulassen.« Ihr war unverständlich, wie ihr plötzlich der Begriff schauderhaft in den Sinn gekommen war.
    »Anders wäre die Mission nicht durchführbar«, sagte Aveling. »In dreißig Stunden werden Sie in Paris sein, ganz allein und einzig auf das angewiesen, was Sie im Kopf haben. Keine Waffen, keine Koms, keine KI-Unterstützung. Das Einzige, womit wir Ihnen helfen können, sind Sprachkenntnisse.«
    »Ich will keine Maschinen im Kopf haben.«
    »In diesem Fall können Sie beruhigt sein«, sagte Skellsgard. »Sie wurden inzwischen herausgespült. Zurückgeblieben sind nur die neuralen Strukturen, die sie geschaffen haben. Der Nachteil ist, dass diese Strukturen nicht ewig halten werden – höchstens zwei oder drei Tage, nachdem Sie in Paris eingetroffen sind. Danach werden sie allmählich abgebaut.«
    Auger wurde von Neugier übermannt. »Wenn das so ist, warum haben Sie die Maschinen nicht dringelassen?«
    »Aus dem gleichen Grund, warum Niagara uns nicht begleiten kann«, erwiderte Skellsgard. »Der Zensor würde sie nicht durchlassen.«
    »Der Zensor?«
    »Sie werden es früh genug erleben«, sagte Aveling. »Also zerbrechen Sie sich deswegen nicht Ihren hübschen kleinen Kopf. Das ist unsere Aufgabe.«
    Auger verspürte die kribbelnde, nervöse Wachsamkeit, die nach zu viel Kaffee und zu intensivem Studium auftreten konnte. Vor etwa fünfzehn Jahren hatte sie sich einmal so wild auf mathematische Studien gestürzt, dass ihr Gehirn nach einem ganzen Abend der Auseinandersetzung mit komplizierten Klammergleichungen, vereinfachenden Formen und der Extraktion allgemeiner Terme damit begonnen hatte, die gleichen Regeln auf die gesprochene Sprache anzuwenden – als könnte man einen Satz mit Klammern und Quadratformeln wie eine Aussage zum radioaktiven Isotopenzerfall simplifizieren. Genauso fühlte sie sich jetzt. Sie musste nur auf eine Farbe oder eine Form blicken, und schon rief ihre neue Sprachstruktur begeistert das entsprechende Wort, sodass eine gemischte Kakophonie aus Deutsch, Französisch und Englisch durch ihren Schädel hallte.
    »Ich könnte deswegen sehr wütend werden …«
    »Oder Sie könnten es einfach vergessen und akzeptieren, dass es notwendig war«, sagte Skellsgard unumwunden. »Ich verspreche Ihnen, dass es keine Nebenwirkungen hat.«
    Auger wusste, dass es sinnlos war, weiter zu protestieren. Die Maschinen waren bereits in ihr gewesen und hatten den Schaden angerichtet. Die einfache Wahrheit lautete jedoch, dass sie diese Prozedur jederzeit dem Tribunal vorgezogen hätte, wenn sie die Wahl gehabt hätte.
    Wenn sie das zu einer

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