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Ewigkeit

Ewigkeit

Titel: Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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jemanden war, der für das Kriminaldezernat arbeitete.
    Viel mehr wollte Floyd eigentlich gar nicht wissen.
    Er wartete im Wagen, während Custine hineingelassen wurde, dann trommelte er die nächsten fünf Minuten mit den Fingern auf dem Lenkrad, bis Custines Gestalt in einem Fenster des fünften Stocks sichtbar wurde. Custine rechnete nicht damit, schon am frühen Nachmittag irgendein Ergebnis erzielt zu haben, aber sie hatten trotzdem vereinbart, um zwei Uhr miteinander zu telefonieren.
    Floyd verließ die Straße, in der Blanchard wohnte, und fuhr nach Montparnasse, wo er die kleineren Nebenstraßen nahm, bis er das Haus gefunden hatte, in dem er Greta letzte Nacht verlassen hatte. Bei Tag wirkte das Haus etwas freundlicher – aber wirklich nur etwas. Greta öffnete ihm die Tür und führte ihn zur spärlich bestückten Küche hinauf, die Sophie ihm bereits gezeigt hatte.
    »Ich habe die Telefongesellschaft angerufen«, sagte Floyd. »Es müsste jetzt wieder funktionieren.«
    »Richtig«, sagte Greta überrascht. »Jemand hat mich erst vor einer halben Stunde angerufen, aber ich war so abgelenkt, dass ich gar nicht darüber nachgedacht habe. Wie konntest du die Gesellschaft überreden, sie wieder anzuschließen? Sie kann es sich immer noch nicht leisten, die Rechnungen zu bezahlen.«
    »Ich habe gesagt, dass man die Gebühren auf meine Rechnung setzen soll.«
    »Wirklich?« Sie legte den Kopf schief. »Das ist sehr großzügig von dir. Allerdings schwimmst du auch nicht gerade im Geld.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen. Es ist ja nicht so, dass …« Er sprach nicht weiter.
    »Dass es für ewig wäre?«, sagte sie. »Nein. Du hast Recht. Das ist es nicht.«
    »Ich wollte es nicht so gefühllos formulieren.«
    »Schon gut.« Jetzt klang sie, als wäre sie sauer auf sich selbst. »Ich lasse es an jedem aus, der sich in Schussweite befindet. Das hast du nicht verdient.«
    »Keine Sorge. Ich kann nur sagen, dass du es richtig toll hinkriegst. Wie geht es Marguerite heute?«
    Greta strich Honig auf eine Toastscheibe. »Laut Sophie ungefähr genauso wie gestern. Der Arzt hat ihr bereits eine Dosis Morphin für den Tag verpasst. Ich weiß nicht, warum man es ihr nicht später geben kann, damit sie wenigstens gut schläft.«
    »Vielleicht befürchtet man, dass sie zu gut und vor allem zu tief schlafen könnte«, sagte Floyd.
    »Das wäre gar nicht so schlecht, wie es klingt«, sagte Greta leise. Sie war ganz in Weiß gekleidet und hatte das schwarze Haar mit einer weißen Schleife zurückgebunden. Die Schleife schimmerte hell, wie etwas aus einer Waschmittelwerbung. Greta reichte ihm den Toast, dann leckte sie sich mit mädchenhaft geschürzten Lippen die Finger sauber. »Danke, dass du vergangene Nacht bei mir geblieben bist, Wendell«, sagte sie. »Das war sehr nett von dir.«
    »Du hattest Gesellschaft nötig.« Er biss in den Toast und hielt ihn so, dass er sich nicht das Hemd mit Honig bekleckerte. »Zurück zu Marguerite. Wäre es in Ordnung, wenn ich sie begrüße? Ich weiß, was du vergangene Nacht gesagt hast, aber ich würde ihr gerne zeigen, dass ich mir Sorgen um sie mache.«
    »Es kann sein, dass sie sich nicht einmal an dich erinnert.«
    »Damit kann ich leben.«
    »Also gut«, sagte Greta seufzend. »Ich vermute, sie ist im Moment geistig so klar, wie sie jemals sein wird. Aber bleib nicht zu lange bei ihr, ja? Sie wird sehr schnell müde.«
    »Ich werde mich kurz fassen.«
    Sie führte ihn ins obere Stockwerk, während Floyd unterwegs den Toast aufaß. Die Fußbodendielen knarrten, als sie den Korridor entlanggingen. Greta öffnete die Schlafzimmertür, schlüpfte hinein und sprach sehr leise mit Marguerite. Floyd hörte, wie die ältere Frau auf Französisch antwortete. Sie sprach nichts anderes, nicht einmal Deutsch. Sie war im Elsass geboren, wie Greta ihm einmal erzählt hatte, und hatte einen deutschen Möbelschreiner geheiratet, der in den dreißiger Jahren gestorben war. Zu Hause hatten sie nur Französisch gesprochen.
    Als die Situation für Gretas Familie in Deutschland schwierig geworden war – Greta war mütterlicherseits jüdisch – hatte man sie zu Marguerite geschickt. Sie war im Sommer 1939 mit neun Jahren in Paris eingetroffen und hatte fast die ganzen vergangenen zwanzig Jahre in der Stadt gelebt. Nach der gescheiterten Invasion von 1940 war es zu starken Ressentiments gegen die Deutschen gekommen, aber Greta hatte sie gut überstanden, da sie ein Französisch mit hörbarem Pariser

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