EwigLeid
Frau streiten zu müssen, lässt du dich lieber mit Frauen ein, die du dominieren kannst. Doch, das ergibt einen Sinn.“
„Ja, wenn auch auf irgendwie kranke Art.“
„Fehlgeleitet vielleicht. Als krank würde ich ein solches Verhalten nicht bezeichnen.“
„Ich aber.“
„Warum?“
„Denn aufgrund meiner spezifischen Sozialisation traue ich mir selbst nicht so recht über den Weg.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Wie solltest du auch? Mein Dad … er hat meine Mom geschlagen.“
Das war so ziemlich das Letzte, womit sie gerechnet hätte. „Wie bitte?“
„Das passierte nicht oft, aber hin und wieder, als ich noch klein war, verlor er die Beherrschung, und dann hat er sie geschlagen. Und sie hat ihm verziehen. Weil sie ihn gereizt hatte, war dann immer ihre Erklärung.“
„Du liebe Zeit. Das ist ziemlich schräg. Als Polizistin hätte sie es besser wissen müssen.“
„Sie wusste es besser. Aber sie hat ihn geliebt.“
„Und du hast Angst, du könntest dich hinreißen lassen, eine starke Frau zu schlagen?“ Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Das ist lächerlich, Jase. Dazu bist du viel zu ehrenhaft und integer. Ich habe dir beinahe das Ohr abgebissen, und du hast nicht mal die Hand erhoben. Du würdest niemals eine Frau schlagen.“ Und dann fiel ihr wieder die Ohrfeige ein. „Aber ich habe dich geschlagen. Es tut mir so leid.“
„Ich weiß, warum du das getan hast. Ich verstehe es. Was dir übrigens nicht das Recht gibt, es noch einmal zu tun.“
„Aber du hast verstanden, was ich gesagt habe, oder? Du bist nicht wie dein Vater.“
„Ich weiß, dass sein Verhalten falsch ist, aber das weiß er auch. Und er schlägt sie nicht mehr. Schon lange nicht mehr, bestimmt nicht mehr, seit ich alt genug war, um einzugreifen. Aber früher hat er es getan, Carrie, und ich bin ihm in vielerlei Hinsicht ähnlich. Ich sehe sogar aus wie er.“
„Und sie sind noch zusammen?“
„Ja. Sie leben noch in Texas. Meine Mutter hat zu ihm gehalten, und er hat sich professionelle Hilfe gesucht. Und zum Teil bin ich froh. Trotz allem … ich bin froh. Wir haben nie darüber geredet. Jedes Mal, wenn ich das Thema anschneiden wollte, haben sie alles abgestritten. Aber ich weiß, was ich gesehen habe. Ich habe es immer gewusst.“
„Es ist mit Sicherheit schwierig, darüber zu reden. Aber was ich gesagt habe, meine ich ernst, Jase. Du musst dich nicht auf passive Frauen festlegen, weil du Angst hast, du könntest die Beherrschung verlieren und wie dein Vater werden.“
„Nein, das muss ich nicht, aber dadurch wird manches leichter für mich. Die Arbeit verlangt uns so viel ab. Ich möchte mir keine Gedanken darüber machen müssen, wie ich mich deswegen in meinem Privatleben verhalten muss. Und du?“
„Wieso ich? Du wolltest dich mir gegenüber öffnen, nicht umgekehrt. Außerdemhabe ich nichts zu offenbaren.“
Doch noch während sie sprach, war sie sich ihrer Lüge bewusst. Und sie erkannte auch, dass Jase es wusste. Bevor er sie festnageln konnte, klingelte jedoch das Telefon.
„Special Agent Ward“, meldete sie sich.
„Detective Ward? Hier ist Officer Ian Bellows von der Polizei von San Francisco. In Ihrer Wohnung hat es Ärger gegeben.“
Carrie riss die Augen auf und warf einen Blick zu Jase hinüber, der sie fragend anschaute. „Ärger?“
„Vandalismus, Ma’am. Oder genauer gesagt: Brandstiftung.“ Während sie Bellows zuhörte, der ihr die Einzelheiten schilderte, wich langsam alle Farbe aus Carries Gesicht. Wie haltsuchend streckte sie die Hand aus, obwohl sie ja bereits saß.
„Carrie …“, setzte Jase an.
„Ich … ich komme sofort“, sagte sie zu Bellows. Mit zitternder Hand legte sie den Hörer auf. Sie rang nach Luft, hatte plötzlich das Gefühl, ersticken zu müssen.
Jase war sofort an ihrer Seite. „Was ist passiert?“
„Meine Wohnung“, flüsterte sie, immer noch starr vor Schock. „Jemand hat einen Molotowcocktail durchs Fenster geworfen. Ein Brandanschlag. Die Feuerwehr ist bereits vor Ort, aber nach den Worten des Officers, der gerade angerufen hat, sieht es schlimm aus.“
12. KAPITEL
Jase wartete in der Nähe, als Carrie vor dem Haus, in dem sie wohnte, mit Officer Ian Bellows und einem Feuerwehrmann sprach. Von außen war kein Schaden erkennbar, doch drinnen sah es anders aus. Die Feuerwehr war rechtzeitig eingetroffen, um ein Übergreifen des Feuers auf weitere Gebäude zu verhindern, doch Carries Wohnzimmer war verkohlt und rauchte.
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