EwigLeid
ihr an die Nieren ging? All der Schmerz, all die Tragik, die sie bei der Arbeit erlebte, fanden ja doch irgendwie Zugang zu ihrem Bewusstsein. Und ob es ihr passte oder nicht, als Frau traf es sie anders. Oder? Zum Teufel, Jase hatte sich nie für einen Chauvi gehalten, aber während er Carrie ohne Zweifel für eine starke Polizistin hielt, vergaß er doch nie, dass sie eine starke Polizistin und Frau war. Wenn das nicht chauvinistisch war, was dann? Trotzdem hätte er gern gewusst, ob sie jemanden hatte, mit dem sie reden konnte. Ob sie eine Freundin besaß, der sie sich anvertrauen konnte. Mit der sie weinen oder lachen konnte. Irgendwie glaubte er es nicht.
Zum ersten Mal wurde ihm in aller Deutlichkeit bewusst, wie isoliert Carrie lebte. Er spürte einen Stich im Herzen und erkannte, was es war. Traurigkeit um Carries willen. Und um seinetwillen. Denn Carrie hatte Besseres verdient. Und er war nichtsicher, ob er in der Lage sein würde, es ihr zu geben.
Er wollte sich Carrie nicht traurig oder einsam vorstellen. Doch sie sah verständlicherweise bedrückt aus. Himmel Herrgott, sie hatte gerade einen der schwärzesten Tage ihres Lebens hinter sich – wozu er unbeabsichtigt beigetragen hatte –, und nun war auch noch ihre Wohnung in Brand gesetzt worden. Sicher, sie kam damit zurecht, doch ihr geistesabwesender Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sein Plan, sie von ihren Sorgen abzulenken, nicht ganz funktionierte.
Doch er gab noch nicht auf. Er würde sie nicht nach ihrer Panikattacke oder sonstigen Dingen fragen, durch die sie sich womöglich noch mehr zurückzog. Er würde sich lieber an möglichst harmlose Themen halten. Zunächst noch.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte Carrie herausfordernd an. „Na, wie steht’s mit deiner Lieblingsfarbe, Lieblingsblume, Lieblingsfernsehsendung?“
Aufgeschreckt sah sie ihn an. „Spielen wir jetzt Frage und Antwort?“
Jase zuckte die Achseln. „Was ich von dir als Privatperson weiß, verdanke ich nur einem heimlichen Blick in deine Fotoalben. Ich habe einen großen Aufholbedarf.“
Sie lächelte schwach, doch es reichte ihm fürs Erste. „Rot, Pfingstrose, und ich sehe nicht fern.“
„Nicht einmal Krimiserien?“
Sie schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Wein. „Machst du Witze? Manchmal sind sie zum Lachen, aber das ist auch schon alles.“
„Was du nicht sagst. Unsere Arbeit ist so viel komplizierter, als sie im Fernsehen dargestellt wird. Aber du kannst mir mit deinem Insiderwissen aushelfen. Wie war die Arbeit beim SWAT nun wirklich? Hast du irgendwelche tollen SWAT-Geheimnisse erfahren?“
„SWAT-Geheimnisse? Zum Beispiel …?“
Sein Plan ging auf. Zum ersten Mal, seit sie von dem Brand erfahren hatte, wurde ihr Blick wieder klar. Sie konzentrierte sich auf Jase. „Ich weiß nicht. Zum Beispiel alles, was wir einfachen Special Agents vielleicht noch nicht wissen.“
Sie schnaubte verächtlich. „‚Einfach‘ ist das letzte Wort, mit dem ich dich charakterisieren würde, Jase.“
„Gut zu wissen. Aber lass uns bei der Wahrheit bleiben. Ich bin ein harter Brocken, klar, aber SWAT, ein Sondereinsatzkommando? Das ist eine völlig andere Sache. Also, raus damit.“
Carrie beugte sich vor und verschränkte die Arme auf dem Tisch. „Na ja, wir bekamen Spezialtraining für Geiselnahmen. Nicht nur, wie man einem potenziellen Entführer entkommt, sondern auch, wie man als Team zusammenarbeitet. Das ist eines der Dinge, die mir beim SWAT gefallen haben. Der Teamgeist. Dieses Gefühl empfinde ich nicht mal als Mitglied der SIG.“
„Und wie arbeitet man zusammen, um einem Entführer zu entkommen?“
„Sagen wir mal, der Verdächtige nimmt mich als Geisel, und du bist dabei. Er befiehlt dir, deine Waffe fallen zu lassen. Wir wissen beide, dass du dich nicht von deiner Waffe trennen kannst, nicht wahr?“
„Genau. Falls die Geisel eine Zivilperson ist, ist die Sachlage vielleicht anders. Doch wenn ein Polizeikollege im Spiel ist, wenn man abwägen muss, ob man einen gefährlichen Verdächtigen zum Schaden der Allgemeinheit entkommen lassen oder einen Kollegen retten will, nun, dann hat man im Grunde gar keine Wahl.“
„Doch jede Abteilung sollte für solche Situationen ein Signal vereinbaren. Etwas, was sie gegen den Verbrecher einsetzen können.“
„Und im Sondereinsatzkommando gibt es solch ein Signal. Worin bestand eures?“
„Es war der zweite Vorname des betroffenen Kollegen. Wir alle wussten, wenn ein
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