EwigLeid
ansonsten aber hat er seine Vorgehensweise komplett geändert. Warum?“
„Es ist ja nicht ungewöhnlich für einen Serienmörder, seine Vorgehensweise zu ändern“, erwiderte Carrie. „Die Signatur besteht nicht in der Tötungsmethode, sondern ist meistens etwas völlig davon Abgetrenntes mit einer speziellen Bedeutung für ihn. In diesem Fall sind also die abgeschnittenen Augenlider der gemeinsame Nenner. Meiner Meinung nach der wichtigste. Natürlich schließt das nicht aus, dass dieser Mord aufs Konto eines Trittbrettfahrers geht.“
„Nein. Das nicht. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass der Mörder eine Frau sein könnte. Das ist im Fall eines Serienmörders ungewöhnlich, muss aber trotzdem in Betracht gezogen werden.“
Carrie konnte sich nicht bremsen. „Lass uns unbedingt geschlechtsneutral bleiben, solange wir über Mörder und nicht über Kolleginnen reden.“
Er lachte nicht; das hatte Carrie auch nicht erwartet. Obwohl sie den Kopf gesenkt hielt, spürte sie seinen Blick. „Wann willst du endlich akzeptieren, dass du für mich nicht nur eine Kollegin bist, Carrie? Ich war ehrlich, als ich Stevens sagte, dein Geschlecht stelle ein Problem für mich dar. Und ich war ebenfalls ehrlich, als ich ihm sagte, dass meine persönlichen Gefühle für dich meine Meinung dazu, ob du die am besten Geeignete für diesen Fall bist, vielleicht verschleierten. Oder wollen wir das weiterhin einfach ignorieren, genauso wie die Ohrfeige, die du mir heute Morgen gegeben hast?“
„Können wir?“, fragte sie und sah ihn immer noch nicht an.
Eine Antwort blieb er ihr schuldig, und Carrie blickte auf. „Ich dachte, du wärst jetzt bereit, über den Fall zu reden und alles andere beiseitezulassen.“
„Du selbst hast mir doch das Stichwort gegeben“, erinnerte er sie sanft.
Sie seufzte. Was sollte sie sagen? Er hatte recht.
„Hier geht es nicht nur darum, dass ich aus beruflichen Gründen die Ermittlungen leiten will, Carrie. Ich mag dich.“
Er mochte sie. Welch unverfängliches Wort zur Erfassung seiner Gefühle für sie, während sie doch wusste, dass ihre Gefühle für ihn bedeutend komplizierter waren. „Aber du wolltest die Leitung. Und du hast zugegeben, dass du sie immer noch willst.“ Als er sie lediglich ansah, atmete sie gereizt aus und nickte. „Okay, schön. Du magst mich. Ich … ich mag dich auch. Bitte schön. Ich habe es ausgesprochen. Aber du kannst mich nicht beschützen, Jase. So geht das nicht. Nicht, wenn ich genauso hart für meine Dienstmarke gearbeitet habe wie du. Nicht, wenn ich genauso hart für die Chance gearbeitet habe, in einem Fall wie diesem die Ermittlungen zu leiten.“
„Und nach allem, was du heute gesehen hast, willst du das immer noch? Auch diese Frage hat nichts damit zu tun, dass du eine Frau bist. Selbst ich bin verunsichert, Carrie. Ich habe im Lauf meiner Karriere einige üble Dinge gesehen, aber das, was der Kerl Kelly Sorenson angetan hat …“
„Natürlich sind auch mir Zweifel gekommen. Immer wieder, solange ich arbeite. Ob ich gut genug bin. Ob ich es schaffe. Aber immer stand völlig außer Frage, dass ich es versuchen würde. Ich kann etwas bewirken, indem ich diesen Scheißkerl zur Strecke bringe, und das werde ich tun. Hab also keine Angst, dass ich zusammenbreche und klein beigebe. Das wird nicht passieren.“
„Das weiß ich. Mansfield glaubt anscheinend, du bist im Umgang mit harten Sachen so eine Art Superbulle.“
„Und du?“, fragte sie, ohne recht zu wissen, warum. Sie wusste nur, dass seine Antwort wichtig war. „Was glaubst du?“
„Ich bin seiner Meinung. Und außerdem glaube ich, du musst ziemlich grausige Dinge erlebt haben, um so etwas aushalten zu können.“
„Irgendeine verschüttete düstere Misshandlungsgeschichte, die mich hart gemacht hat, wie? Vorsicht, du verfällst schon wieder auf Klischees. Würdest du das denken, wenn ich keine Frau wäre?“
„Eigentlich habe ich mich eher auf deinen Beruf bezogen, Carrie. Aber nachdem du es zur Sprache gebracht hast, fange ich an, mich zu fragen. War’s denn so?“
„Was?“
„Gibt es da eine verschüttete düstere Misshandlungsgeschichte?“
„Ich hatte eine großartige Kindheit, Tyler. Auf die Idee hättest du von selbst kommen müssen, als du dir meine Fotoalben angeschaut hast. Die normalen Pubertätsprobleme, aber nichts Außergewöhnliches.“
„Auf diesen Fotos lächelst du oft. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Was ist dann passiert? Warum ist dein
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