Ewiglich die Hoffnung
befand, am hinteren Ende, wie ich vermutete, da die Leute mit dem Rücken zu mir standen.
Bei dem harten Gegenstand, gegen den ich gestoßen war, handelte es sich um eine niedrige, breite Mauer, die außen um den Platz herum verlief und ihn von den hohen, alt aussehenden Gebäuden ringsherum trennte. Etliche Leute hatten sich auf die gut einen Meter hohe Mauer gestellt, um besser sehen zu können.
Aber was schauten sie sich an?
Ich entdeckte einen freien Platz auf der Mauer und kletterte hinauf. Der Mann neben mir musterte mich kurz, richtete den Blick dann wieder nach vorn, dorthin, wo offenbar alle hinsahen. Als ich gerade halbwegs sicher stand und den Hals reckte, um eine bessere Sicht zu haben, brandete erneut lauter Jubel auf.
Der Anblick, der sich mir bot, verschlug mir den Atem. Mit meiner anfänglichen Schätzung hatte ich weit danebengelegen. Es mussten Tausende von Menschen sein, wenn nicht mehr.
Aber halt. Nein, keine Menschen. Ewigliche. Sowohl Männer als auch Frauen. Mir wurde klar, dass ich noch nie eine Ewig liche gesehen hatte, doch etwa die Hälfte der Zuschauer war weiblich. Dunkle Schatten tänzelten durch die Menge, und ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es keine normalen Schatten waren, da ich nirgendwo eine Lichtquelle erkennen konnte. Es war keine Sonne da, die Schatten hätte werfen können.
Es waren die Schatten.
Mein erster Impuls war, mich zu verstecken. Das erste Mal hatte ich die Schatten in der Nährhöhle gesehen, wo sie Cole und mich hundert Jahre lang eingehüllt hatten wie ein Kokon. Der letzte Schatten, um den ich wusste, war in meinem Arm gewesen, wo er als eine Art Ortungsgerät fungierte, damit die Tunnel mich finden konnten.
Aber ich war hergekommen, um die Tunnel zu finden und Jack zu retten. Ich konnte meine Zeit nicht mit Versteckspielen vertun. Ich musste mir überlegen, wo ich anfangen sollte, und im Augenblick machte keiner hier den Eindruck, als würde er seine Aufmerksamkeit von dem Geschehen weiter vorne losreißen wollen, und sei es nur, um mir die Uhrzeit zu sagen. Also blieb ich stehen, und als ich den Blicken der anderen folgte, sah ich die Plattform.
Es war eher eine Bühne, auf der anderen Seite des Platzes.
Die Leute standen auf den Zehenspitzen, reckten die Hälse, kletterten auf alles, was sich ihnen bot, um besser sehen zu können. Zwanzig oder dreißig hockten auf einem großen Springbrunnen in der Mitte des Platzes. Ein paar wurden von den Wasserfontänen eingeregnet, blieben aber ungerührt, wo sie waren.
Ich konnte nicht erkennen, was da so Faszinierendes im Gange war, aber die Zuschauer schienen so gebannt wie beim Super Bowl.
Dann sah ich die Frau mitten auf der Bühne, und mir wurde schlagartig klar, warum niemand Notiz von mir genommen hatte. Sie war es, auf die sich die Aufmerksamkeit der Menge auf dem Platz richtete, von Männern und Frauen gleichermaßen, und obwohl ich ein ganzes Stück entfernt stand, war ich von ihrer Schönheit gefesselt. Ich konnte den Blick nicht abwenden.
Ihr weißes Kleid leuchtete, als wäre es aus Sonnenstrahlen, und ihr rotes Haar ergoss sich in Wellen über ihren Rücken. Ich konnte nicht erkennen, wie lang es war. Sie wirkte nicht menschlich.
Rechts und links von ihr befanden sich etliche Schatten. Ich konnte nicht zählen, wie viele es waren, da sie sich bewegten wie ölige Wirbel. Seitlich von der Bühne stand eine Reihe von Leuten. Vielleicht zehn an der Zahl. Männer und Frauen. Das Ganze wirkte irgendwie unheimlich, obwohl ich nicht genau hätte benennen können, wieso.
Sie warteten, dass sie an die Reihe kamen … wofür auch immer. Die Frau hob eine Hand, und sofort senkte sich Totenstille über die Menge. Der erste Mann in der Schlange stieg die Stufen hinauf. Langsam. Als wäre er lieber ganz woanders.
Zögerlich näherte er sich der Bühnenmitte, und sobald er sie erreicht hatte, fingen die Schatten auf der Bühne an, schneller herumzuwirbeln. In mir stieg eine unbestimmte Sorge um ihn auf, da er sichtlich Angst hatte, doch als ich zu einer Frau schaute, die ganz in meiner Nähe stand, sah ich, dass ein leichtes Lächeln ihre Lippen umspielte, als wäre das alles ganz normal.
Die Schatten wirbelten im Kreis und schlossen sich zusammen. Sie erinnerten mich an die trichterförmige Wolke der Tunnel, als diese mich hatten holen wollen. Doch der Trichter hier lief an einem Ende nadelspitz zu, und ehe ich auch nur erahnen konnte, was geschehen würde, stiegen die Schatten vereint
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