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Ewiglich die Hoffnung

Ewiglich die Hoffnung

Titel: Ewiglich die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Ashton
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hinauf in den Himmel und streckten sich in die Länge, bis sie eine einzige lange, schnurgerade schwarze Stange bildeten.
    Es war unglaublich, und fassungslos sah ich dem Schauspiel zu.
    Die Schatten verweilten einen Moment in der Luft und schossen dann als ein kollektiver Speer nach unten auf den Mann zu. Sie durchbohrten seine Brust und nagelten ihn am Boden fest.
    Ich keuchte auf.
    Dann verschwanden die Schatten im Körper des Mannes. Und für den Bruchteil einer Sekunde wurde es mucksmäuschenstill.
    Plötzlich eine Explosion. Aus dem Innern des Mannes. Er wurde auseinandergesprengt. In Millionen oder gar Milliarden Stücke. Sodass nichts mehr von ihm übrig war. Nur noch ein feiner, roter Nebel, der in der Luft hing und über der Menge schwebte.
    Der Nebel verteilte sich in einem feinen Schleier über den ganzen Platz. Ich sprang hinter die Mauer, aus Angst davor, was der Nebel anrichten würde, wenn ich mit ihm in Berührung käme.
    Irgendwo in Bühnennähe ertönte ein mächtiger Gong. Es war eine Art Signal. Dann folgte ein kollektives Einatmen – der Klang von Tausenden, die Luft einsogen –, und damit verschwand der Nebel. Die Ewiglichen inhalierten buchstäblich das, was von dem Mann noch übrig war.
    Und ließen ihn so gänzlich verschwinden.
    Ich sank zu Boden und hörte im selben Moment, wie die Menge die Atemluft wieder ausstieß und in Jubel ausbrach.
    Den Rücken gegen die Steinmauer gepresst, hielt ich mir den Bauch. Galle stieg mir in den Mund. Bei dem Mann musste es sich um einen Menschen gehandelt haben. Mit ihresgleichen würden sie so etwas doch niemals machen. Falls die Schatten mich jetzt fanden, würden sie mit mir dann dasselbe tun?
    Schlimmer noch: Wenn sie Menschen vernichteten, holten sie sie aus den Tunneln? Wäre irgendwann auch Jack an der Reihe?
    Mein Herz zerbrach. Ich spürte es, spürte ein richtiges Reißen in der Brust. Ich presste die Hände dagegen, versuchte, es zusammenzuhalten, aber es gelang mir nicht. Mein gebrochenes Herz sickerte mir durch die Finger. Ich sah zu, wie es passierte, und konnte doch nicht glauben, was ich da sah. Weißer Nebel entwich mir, und in dem Nebel konnte ich Bilder von Jack sehen, als würde eine unsichtbare Hand einen Stapel Fotos durchblättern wie ein Daumenkino und der dadurch entstehende Film in der Wolke vor mir ablaufen.
    Ich streckte die Hand nach den Bildern aus, aber es war, als würde ich nach Luft greifen. Der Nebel trug Jacks Gesicht, trieb es hoch und von mir weg. Über die Mauer, hinter der ich mich versteckte.
    Und auf einmal fiel mir auf, dass das Gejubel der Menge fast zu einem Flüstern erstorben war. Wieso die plötzliche Stille?
    Ich hob den Kopf und lugte über die Mauer, um zu sehen, was los war. Und hätte fast aufgeschrien.
    Jedes einzelne Gesicht dort, ja sogar jeder Schatten drehte sich wie auf Kommando zu mir um.
    Ich erstarrte.
    Alle Augen senkten sich von dem Nebel über mir auf mein Gesicht.
    Und dann durchdrang die Stimme der Frau ruhig und klar die Luft. Sie erreichte mich mühelos, ohne irgendeine Verstärkung zu brauchen. »Wer bist du?«
    Sprach sie mit mir? Ich blickte hin und her, suchte nach einem winzigen Funken Mitgefühl in einem der Gesichter, doch in allen spiegelte sich nur eine einzige Emotion.
    Hunger.
    Die Schatten, die sich auf der Bühne versammelt hatten, trieben jetzt auf mich zu. Ihre Bewegungen wurden synchron, und schon bald wirbelten sie hoch in den Himmel, genau wie kurz zuvor. Nur diesmal zeigten sie auf mich.
    Ich wich zurück, so schnell ich konnte, aber ich kam nur ein paar Meter weit, ehe ich gegen die Front eines Gebäudes stieß.
    Ich schloss die Augen.
    »Es geht ganz schnell«, flüsterte ich. »Dann ist es vorbei.«
    Ich hielt die Augen geschlossen und spürte die kalte Luft auf mich zugerauscht kommen. Bange Rufe drangen an mein Ohr. Und als ich schon fest damit rechnete, dass die Schatten sich mir in den Bauch bohren würden, sagte ich mein letztes Wort, das Wort, das ich seit vielen, vielen Tagen nicht mehr ausgesprochen hatte. »Jack.«

Kapitel Fünf
    Eine einzelne Stimme erklang irgendwo über mir. »Nikki! Deine Hand!«
    Mir blieb keine Zeit zum Überlegen. Ich streckte eine Hand der Stimme entgegen und spürte, wie warme Finger sie umschlossen und meine Füße sich vom Boden hoben. Dunkelheit umfing mich.
    Im nächsten Moment prallte ich mit dem Rücken gegen irgendetwas Hartes und Flaches, und der Aufprall quetschte mir die Rippen. Hustend rollte ich mich auf den Bauch

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