Ewiglich die Hoffnung
ging zu einem der Stände und sah mir das Warenangebot an, wurde jedoch nicht schlau daraus. Die aufgereihten Glasgefäße waren leer. Jedes Gefäß war etikettiert und mit Zahlen und Buchstaben beschriftet – 8STD, 3T, 24STD –, doch ehe ich darüber nachdenken konnte, was sie bedeuten mochten, fiel mein Blick auf ein Plakat, das an der Bude gleich nebenan hing. Und ich erstarrte.
Cole sah es auch. »Verdammt.«
Es war eine Schwarz-Weiß-Zeichnung von einem jungen Mädchen mit dunklem Haar und blasser Haut.
Von mir.
Unter dem Bild standen die Worte: Kennen Sie diesen Menschen?
Ich zog mir die Kapuze über den Kopf. Cole und Max stellten sich rechts und links dicht neben mich. Cole fasste mich am Ellbogen und führte mich schnell, aber nicht zu schnell eine Seitenstraße hinunter und dann in eine Gasse. Mit den beiden so dicht neben mir verschwand mein Kontaktband fast völlig und wurde von ihnen absorbiert. Ich konnte es nach wie vor spüren, dieses Ziehen an meinem Herzen. Es war, als müsste meine Projektion direkt aus meinem Herzen kommen, aus meinem Brustkorb heraus, aber dem war nicht so. Zum Glück. Denn am Boden war sie weniger auffällig. Doch ich wusste, dass sie irgendwo tief in meinem Innern entsprang und erst, wenn sie außerhalb meines Körpers angekommen war, von Cole und Max absorbiert wurde.
Ich fragte mich, wie meine Energie für sie schmeckte? War sie voller Liebe zu Jack? Oder bestand sie aus negativen Emotionen – wie Schuld oder Kummer –, die laut Cole immer zuoberst lagen?
Ich würde ganz sicher nicht fragen.
Cole und Max schwiegen. Ich hatte den Eindruck, dass wir jetzt auf Nebenstraßen unterwegs waren, obschon uns immer wieder ein paar Ewigliche entgegenkamen, von denen uns einige länger anschauten als notwendig.
Die Gebäude, die wir passierten, wirkten irgendwie altertümlich, aber ich hätte nicht sagen können, warum, weil ich nicht genau hinsah. Cole ging so schnell, als würden wir verfolgt, obwohl ich ganz sicher war, noch von niemandem entdeckt worden zu sein. Als wir zu einem Gebäude mit zwei kunstvollen Säulen am Eingang kamen, blieb Cole vor der Tür stehen. Wir waren inzwischen so oft abgebogen, dass ich völlig die Orientierung verloren hatte.
Cole klopfte.
»Wer wohnt hier?«, flüsterte ich.
»Ashe. Der älteste Ewigliche, den ich kenne. Und der Einzige, von dem ich weiß, dass er je das Labyrinth gesehen hat.«
Er klopfte erneut, diesmal lauter. Ein seltsam aussehender Mann öffnete mit Schwung die Tür. Als ich ihn sah, kam mir als Erstes das Wort Rauch in den Sinn. Seine Haut hatte eine hellgraue Farbe und wirkte irgendwie schwammig, als wäre sie zum Teil aus Nebel. Das graue Haar stand kerzengerade vom Kopf ab. Selbst seine Augen waren grau.
Cole blickte verwirrt. »Ashe?«
Wiedererkennen flackerte in seinem Gesicht auf. »Cole!« Er schien überrascht, aber Cole ließ ihm keine Zeit, Fragen zu stellen.
»Können wir reinkommen?«, fragte er mit einem raschen Blick hinter uns.
Ashe reagierte unverzüglich, winkte uns herein und schloss die Tür.
Kaum waren wir drinnen, umarmten Cole und Ashe einander auf die männliche Art, mit einem Schlag auf den Rücken. Als sie sich wieder voneinander lösten, musterte Cole Ashes Gesicht.
»Was ist mit dir passiert?«, fragte er.
Dann hatte Ashe anscheinend nicht immer wie Rauch ausgesehen.
Er wollte schon antworten, doch da fiel sein Blick auf etwas zu meinen Füßen. Mein Kontaktband. Max und Cole hatten sich so weit von mir entfernt, dass es wieder deutlich sichtbar geworden war.
Dann glitten seine Augen zu meinem Gesicht, und er erstarrte. Er musterte mich von oben bis unten, und ich spürte, wie meine Wangen unter seinem forschenden Blick erröteten.
»Na, das nenn ich mal eine klare Energieprojektion. Wen haben wir denn da?« Er zog erwartungsvoll die Brauen hoch.
Cole antwortete ohne Umschweife. »Sie hat die Nährung überlebt.«
Ashe wich ein paar Schritte zurück. »Ihr habt es auf den Thron abgesehen und kommt zu mir?!«
»Nein, nein!« Cole hob die Hände in einer beschwichtigenden Geste. Und dann, als er sich offenbar vorstellte, wie Ashe seine nächsten Worte auffassen würde, erschien ein Grinsen auf seinem Gesicht. »Wir wollen zu den Tunneln.«
Wir setzten uns an einen Tisch, und Cole erzählte Ashe in den nächsten Minuten alles. Dass ich seine Spenderin gewesen war und die Nährung überlebt hatte. Dass Jack statt meiner in den Tunneln war und ich ihn in meinen Träumen am
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