Ewiglich die Sehnsucht - Ashton, B: Ewiglich die Sehnsucht
sollte, dann ich.« Seine Stimme klang entsetzlich traurig. Ich hörte, wie er seine Tasche packte.
Sag was. Sag irgendwas. »Ähm …«
Jack verharrte, als könnte ich bei der kleinsten Bewegung verstummen.
Er war der Grund für meine Rückkehr. Da konnte ich ihn doch jetzt nicht vertreiben. So schwer es auch sein würde, mit ihm zu reden, noch sehr viel schwerer wäre es, ihn durch die Tür verschwinden zu sehen. »Nein«, sagte ich. Ich holte zittrig Atem. »Du … du musst nicht gehen. Bitte.«
Er holte sein Buch wieder heraus und legte es auf den Tisch. Ich tat es ihm gleich, breitete meine Sachen aus.
»Danke«, flüsterte Jack.
Den Rest der Stunde wechselten wir kein Wort mehr.
Jack sprach mich den ganzen nächsten Tag nicht an. Auch nicht am übernächsten. Oder dem danach.
Aber er saß jeden Tag eine Stunde lang nach Schulschluss neben mir in Mrs Stones Klassenraum, wo das einzige Geräusch das Kratzen unserer Stifte auf Papier war. Und auf diese Weise vergingen die Tage rasch. Zu rasch.
Ich schielte oft heimlich zu ihm rüber. Manchmal schob er sich die Haare hinter ein Ohr, doch meistens hingen sie ihm einfach lose ins Gesicht. Manchmal hatte er Bartstoppeln, als würde er sich nur jeden zweiten Tag rasieren. Manchmal war ich mir sicher, dass er meine Blicke spüren konnte. Wenn seine Lippe zuckte, wusste ich, dass er gleich zu mir rüberschauen würde, und starrte schleunigst wieder auf mein Heft.
Und manchmal las ich denselben Satz im Buch wieder und wieder und hatte am Ende der Stunde doch nur gelernt, dass Jack mit seinem Radiergummi auf den Tisch klopfte, wenn er mal nicht weiterwusste, oder dass sein Hemd, wenn er sich nach vorn beugte, ein Stück hochrutschte und einen schmalen Streifen Haut auf seinem Rücken entblößte.
Ich redete mir ein, so könnte es immer weitergehen: Wir waren zusammen, ohne irgendwelche Fragen.
Doch an einem dieser Nachmittage rief jemand vom Flur aus nach Jack. Ich verkniff es mir, aufzuschauen, weil ich die Stimme kannte. Es war dieselbe, die mir gleich am ersten Tag in der sechsten Klasse erzählt hatte, eine Ponyfrisur sei ja wohl voll »out«. Lacey Greene.
Danach ließ ich mir den Pony das ganze Schuljahr über rauswachsen. Ich hatte frühzeitig begriffen, dass es sicherer war, von Mädchen wie Lacey Greene nicht bemerkt zu werden. Und tatsächlich bemerkte Lacey mich erst wieder, als Jack und ich letztes Jahr ein Paar wurden.
»Hier versteckst du dich also die ganze Zeit, Jack«, sagte sie. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich stellte mir vor, wie sie sich alle Mühe gab, gleichgültig zu wirken. Ich senkte den Kopf noch tiefer über mein Schreibheft.
»Hi, Lace«, sagte Jack. Er klopfte mit seinem Radiergummi auf den Tisch.
»Was ist denn so wichtig, dass du darauf verzichtest, ins Ray zu gehen?«
Das Morning Ray Café war ein Treffpunkt für Schüler nach Schulschluss. Wir waren früher jeden Tag dort gewesen. Ich spürte förmlich, wie Laceys Augen zu mir glitten.
»Mrs Stone hat mir erlaubt, meinen Essay hier zu schreiben. Für die Collegebewerbung.« Klopf, klopf, klopf .
»Ich dachte, der Termin ist erst in ein paar Monaten«, sagte sie.
»Stimmt«, antwortete Jack.
Ein paar Sekunden lang trat Stille ein. Jack gab keine weitere Erklärung ab. Ich testete die Luft, konnte aber eigentlich nichts spüren. Wenn überhaupt etwas, dann die Abwesenheit von Gefühlen.
»Vergiss nicht, die Abschlussklasse soll Spaß machen, Jack.« Sie schwieg kurz und fügte dann hinzu: »Früher hast du gewusst, wie man Spaß haben kann.«
In ihrer Stimme lag ein vielsagender Unterton. Ich fragte mich, wie die Sache zwischen ihnen nach dem Footballcamp ausgegangen war und ob sie mir die Schuld gab. Ich hätte ihr die Schuld geben können. Aber es war so lange her.
»Danke, dass du mich dran erinnerst, Lace.« Klopf, klopf, klopf.
Ich hörte ihre Schritte den Flur hinunter verhallen, nachdem sie auf dem Absatz kehrtgemacht hatte, und das Klopfen hörte auf. Was immer zwischen Jack und Lacey gewesen sein mochte, es war anscheinend zu Ende.
»Becks?«, rief eine andere Stimme vom Flur her.
Ich schaute auf und sah Jules in der Tür stehen. Sie zeigte auf ihre Mütze, die rote, die ich gestrickt hatte.
»Die ist super. Danke.«
Ich lächelte und hob die Hand zu einem schwachen Winken. Jules hatte nicht noch einmal mit mir die Mittagspause verbracht, aber sie besuchte mich fast jeden Tag kurz in meinem Versteck. Vor zwei Tagen hatte ich die Mütze in
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