Ewiglich die Sehnsucht - Ashton, B: Ewiglich die Sehnsucht
Brusttasche sammelten.
»Vorsicht. Ich hab keine Schwimmweste dabei«, sagte er.
Ich schniefte.
»Schsch. Ist ja gut.«
Wie tief war ich gesunken, dass Cole der Einzige war, der mich trösten konnte? Wir saßen lange so da, und als ich mich schließlich wieder so weit beruhigt hatte, dass ich sprechen konnte, sagte ich in seine Jacke: »Wieso hilfst du mir nicht? Du könntest wenigstens ein Mal ein Held sein.«
Er legte die Lippen an meinen Kopf. »Es gibt keine Helden. Und wenn es welche gäbe, wäre ich bestimmt keiner.«
Ich hatte die Finger zu einer festen Faust um Coles einzelnes Haar geballt. Cole nahm meine Hand und öffnete sanft die Finger, nahm das Haar und steckte es in seine Tasche. Ich ließ ihn, und sogleich flossen weitere Tränen.
Ich zitterte, und Cole schlang die Arme noch enger um mich. Ich drückte den Kopf an seine Brust, wo ich ein schlagendes Herz gehört hätte, wenn Cole ein Mensch gewesen wäre. Aber natürlich war dort nichts zu hören.
»Wenn ich mit dir käme …«, setzte ich an.
Cole hielt die Luft an und wartete.
»Wenn ich mit dir käme, hätte ich dann kein Herz mehr?«
»Nicht in dir. Nein.«
Ich seufzte. Ich wollte nicht zugeben, wie gut sich diese Vorstellung im Augenblick für mich anhörte. Erst recht, da mein Herz langsam brach.
Schließlich löste ich mich aus Coles Umarmung. Er versuchte nicht, mich festzuhalten. Vielleicht, weil er seinen Sieg bereits spürte. Alles fiel auseinander. Wie viel Zeit blieb mir noch? Eine Woche, höchstens. Ich wusste, dass meine Rückkehr auf ungefähr sechs Monate begrenzt war, aber im Ewigseits verging die Zeit anders. Bald würde ich verschwinden. Vielleicht würde es diesmal nicht mal einer merken.
Jetzt, da ich wusste, dass ich zu schwach war, um vorzeitig zu den Tunneln zu gehen, blieben mir zwei Möglichkeiten. In der Versenkung verschwinden, bis die Tunnel mich holen kamen, oder versuchen, mithilfe des wenigen Wissens, das ich inzwischen besaß, eine Antwort zu finden.
Cole hatte recht gehabt, als er an jenem ersten Abend in mein Zimmer gekommen war, obwohl ich so lange gebraucht hatte, um das richtig zu begreifen. Ich hatte doch noch Hoffnung. Irgendwo in den leeren Tiefen meiner Seele glaubte ich, dass mir meine Schuld erlassen werden könnte. Dass ich vielleicht bleiben durfte.
Da Jack von der Bildfläche verschwunden war, wusste ich, dass dieses letzte bisschen Hoffnung in mir meine eigene Hoffnung war. Ich hatte sie ihm nicht entzogen.
Am nächsten Morgen fuhr ich früher als sonst zur Schule und ging in Mrs Stones Klassenraum. Sie saß schon an ihrem Schreibtisch und blickte von der Klausur auf, die sie korrigierte.
»Hallo, Miss Beckett. Was kann ich für Sie tun?«
»Haben Sie schon mal was von den Töchtern Persephones gehört?«
Mrs Stone zog die Stirn in Falten. »Soweit mir bekannt ist, hatte sie keine Töchter.«
»Ich weiß, aber haben Sie vielleicht mal von irgendeiner Gruppe gehört, die sich so nennt?« Ich lachte hilflos, weil ich mich völlig verrückt anhören musste. »Keine richtigen Töchter. Eher so was wie … ein Verein.«
»Nein.« Sie sah mich neugierig an. »Wieso fragen Sie?«
»Eine Frau, die ich kenne, hat mal davon gesprochen. Sie hat gesagt, sie sei eine Tochter Persephones, und ich hab mich gefragt, was sie damit gemeint hat.«
»Tut mir leid. Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.« Sie sah mich an und wartete. »Ist sonst noch was?«
»Ja. Die Orpheus-Sage. Gibt es davon noch andere … Versionen? Andere Auslegungen?«
»Was meinen Sie genau?«
»Könnte sie vielleicht falsch überliefert worden sein oder so?«
Mrs Stone nahm die Brille ab und putzte sie mit ihrem Taschentuch. »Ich versteh nicht ganz, worauf Sie hinauswollen. Aber wenn Sie mehr darüber lesen möchten, hab ich da was für Sie.« Sie öffnete eine Schublade ihres Schreibtisches und holte ein dünnes Taschenbuch über die größten Liebesgeschichten in der Mythologie hervor.
»Super.« Ich nahm das Buch und steckte es in meinen Rucksack. Ich hatte im Internet schon so einiges über Orpheus und Eurydike gelesen, daher glaubte ich kaum, dass das Buch mir noch irgendwas Neues würde verraten können. Ich wünschte, Jack wäre da und würde mit mir reden. Vielleicht würde er mir verzeihen. Aber wenn du einem anderen schon so oft verziehen hast, kommst du vielleicht irgendwann an den Punkt, wo du das nicht mehr kannst.
Mrs Stone beugte sich über ihren Schreibtisch und setzte die Brille, die ihr um den Hals
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