Ex
daß sie gegen die Wand knallte, und schaltete gleichzeitig das Licht ein.
Es war niemand im Zimmer, und nichts schien verändert zu sein. Er ging herum, den Schläger noch immer entschlossen in den Händen, und sah hinter den Möbeln nach, ob sich dort jemand versteckt hatte. Doch da war niemand, und es gab hier auch gar keine Möglichkeit, sich zu verstecken.
Als er sich aufrichtete und sich mit der Hand verwundert die Nasenspitze rieb, nahm er hinter sich an der Tür eine Bewegung wahr. Er wirbelte herum – und nur Joannas entsetzter Aufschrei verhinderte, daß der harte Holzschläger auf sie niedersauste. Ralph ließ den Schläger fallen und packte sie hart an den Armen, seine Finger gruben sich in das weiche Fleisch unter dem flauschigen, weißen Morgenmantel.
»Mein Gott, Jo, ich hätte dich umbringen können! Ich hab’ dir doch gesagt, du sollst dich nicht vom Fleck rühren.«
»Ich hatte Angst.«
Er spürte, wie sie zitterte.
»Alles in Ordnung, Jo… es ist niemand hier…«
»Wie ist denn der Kleiderständer dahin gekommen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ralph, es muß jemand dagewesen sein.«
Er schwieg, denn er wußte nicht, was er sagen sollte. Doch da spürte er ihre plötzliche Anspannung, er schien ihren Schrei bereits zu hören, noch ehe sie ihn ausgestoßen hatte. Sie starrte an ihrem Mann vorbei in den Raum.
Ralph fuhr herum und sah, wie der große venezianische Spiegel über dem Kamin durch die Luft flog, wie eine von einer Riesenhand abgeworfene Spielkarte. Mit einer Ecke streifte der Spiegel eine Lehne des Sofas und riß ein Loch in den Stoff, dann schlitterte er über den antiken Schreibtisch und knallte an die gegenüberliegende Wand.
In der darauffolgenden unnatürlichen Stille hörten sie nichts außer ihrem Atem und ihrem Herzschlag. Sie klammerten sich fassunglos aneinander. Was sie soben gesehen hatten, war ein Ding der Unmöglichkeit.
»Ich habe jemanden gesehen«, flüsterte sie mit bebender Stimme.
»Wo?«
»Im Spiegel, gerade als er von der Wand gerissen wurde. Ich habe eine Frau gesehen, die dort drüben gestanden und uns beobachtet hat.«
Beide blickten in die Richtung, in die sie zeigte. Aber dort war niemand.
»Kannst du sie beschreiben?« fragte er.
»Na ja, ich hab’ sie nicht mal eine Sekunde gesehen. Sie hatte dunkles Haar, trug einen hellen Mantel und war etwa in meinem Alter. Und sie sah irgendwie verstört aus, als wäre sie nicht ganz bei Verstand oder so.«
»Das ist die Frau, die vorhin hier war.«
Erschrocken sah sie ihn an. »Ralph, das kann doch nicht sein. Ich habe Angst.«
»Wir verschwinden von hier – jetzt gleich.«
»Es ist zwei Uhr morgens. Wohin sollen wir denn gehen?«
»Ganz egal, irgendwohin. Ruf doch dieses Hotel an, wo deine Eltern immer übernachten – dort kennt man dich.«
»Okay.«
»Wir telefonieren von oben…«
Er nahm ihren Arm, und bei jedem Schritt sah er sich in alle Richtungen um, ob sich noch etwas bewegte oder ob noch Gefahr drohte. Im Schlafzimmer zogen sie sich an und packten das Notwendigste zusammen. Während der ganzen Zeit sprachen sie kaum ein Wort, außer, als Joanna im Hotel anrief, ein Zimmer reservierte und meinte, sie würden in fünfzehn Minuten da sein.
Von irgendwoher aus dem unteren Stockwerk kam ein lautes Krachen. Sie erstarrten und tauschten einen Blick. Joanna merkte, daß er überlegte, ob er hingehen sollte, um nachzusehen.
»Geh nicht!« sagte sie.
Aber er war schon auf dem Weg zur Tür. »Das muß im Musikzimmer gewesen sein.«
»Ralph, laß es sein!«
Er erwiderte ihren Blick. »Bleib hier und pack unsere Sachen. Ich bin gleich wieder da.«
Sie sah ihm nach, wie er die Treppe hinunterging, und wollte ihn zurückrufen, doch sie sagte nichts. Statt dessen nahm sie die bereits halb gefüllte Reisetasche und ging ins Badezimmer. Als sie gerade eine Zahnbürste, einen Kamm und ein paar Kosmetikartikel verstauen wollte, hörte sie, wie die Tür leise ins Schloß fiel.
Im ersten Moment dachte sie, das brauche sie nicht zu beunruhigen. Eine Tür, die von selbst zufiel, war nichts Außergewöhnliches: ein Luftzug, oder vielleicht hatte sie die Tür beim Hereinkommen gestreift, so daß sie langsam zugefallen war. Darüber mußte man sich nicht den Kopf zerbrechen, auch nicht nach dem, was gerade geschehen war. Sie würde einfach hingehen und sie wieder öffnen.
Aber die Tür gab keinen Millimeter nach. Zwar ließ sich der Griff drehen, aber als Joanna daran zog, rührte sich nichts. Die Tür
Weitere Kostenlose Bücher