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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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zumuten. Hoffentlich gelang es Sam, diesem Spuk dort ein Ende zu machen. Ein Haus, in dem es Geister geben soll, war nicht leicht zu verkaufen, auch nicht in dieser Lage und auch nicht zu einem Vorzugspreis.
    Ralph klingelte mehrere Minuten, bevor er die Zweitschlüssel herauszog und die beiden Schlösser aufschloß. Dann holte er noch einmal tief Luft und trat ein.
    Der Kleiderständer lag noch immer an derselben Stelle wie vor zwei Tagen, deshalb konnte er die Tür nicht ganz aufmachen. Doch kaum hatte er sich durch den Spalt gezwängt, sah er Sam Towne.
    Er lag nackt am Fuß der Treppe, das Gesicht nach unten, die Arme ausgebreitet, als hätte er den Fall abbremsen wollen. Sein Kopf war so seltsam verdreht, daß an seinem Tod kein Zweifel bestand. Die offenen Augen schienen entsetzt auf die Blutlache zu starren, die auf dem Boden unter ihm zu einem dunkelroten matten Fleck getrocknet war, der im Dämmerlicht dieses Spätnachmittags beinahe schwarz aussah.

Epilog
    »Wenn ich nicht noch mal hingehe«, sagte sie, »wird mich diese Sache den Rest meines Lebens verfolgen, und damit will ich mich nicht abfinden. Ich muß nur einmal durch das Haus gehen, dann ist es vorbei. Dann ist der Geist vertrieben.«
    Ralph versuchte ihr das auszureden, doch sie blieb unnachgiebig. Inzwischen waren zehn Tage seit Sam Townes Tod vergangen. Ralph hatte einen seiner Brüder kennengelernt, der von Boston ge-kommen war, um den Leichnam nach Cape Cod zu überführen, wo er im Kreis der Familie beigesetzt werden sollte. Als offizielle Todesursache stand »durch Eigenverschulden herbeigeführter Unfall« in den Papieren. Die Tatsache, daß der Verstorbene die Treppe hinuntergefallen war, als er einen vermeintlichen Spuk in diesem Haus untersuchte, interessierte die Behörden nicht sonderlich. Selbst wenn er hinuntergestoßen worden wäre, gab es kein Gesetz, das die strafrechtliche Verfolgung von Geistern oder anderen körperlosen Wesen vorsah.
    Das einzige Problem, das Ralph wirklich Kopfzerbrechen bereitete, war, was er mit diesem Manuskript anfangen sollte. Erst nachdem die Leiche entfernt worden war, hatte er es auf seinem Schreibtisch im Musikzimmer gefunden. Er nahm es mit ins Hotel und las es durch, nachdem er Joanna angerufen und ihr von dem tragischen Vorfall erzählt hatte. Als er es ein zweites und dann sogar ein drittes Mal gelesen hatte, wurde ihm klar, daß er eine Entscheidung treffen mußte. Aber auch dann schob er sie noch hinaus und steckte die handbeschriebenen Blätter in einen Umschlag, den er im Hotelsafe deponierte.
    Dort lag das Manuskript mehrere Tage lang, bis der ganze Behördenkram erledigt war. Selbst als eine von Sams Kolleginnen von der Universität, Peggy O’Donovan, vorbeikam, um zu sehen, wo Sam gestorben war, erwähnte es Ralph mit keinem Wort. Die Tage vergingen, es gab keine weiteren Anzeichen mehr für unnatürliche Vorgänge in dem Haus, und Ralph kam mehr und mehr von dem Gedanken ab, das Manuskript irgend jemandem zu zeigen.
    Er ließ Handwerker kommen, die das Haus wieder in Ordnung brachten und auch den Spiegel im Badezimmer austauschten, doch keiner berichtete von irgendwelchen außergewöhnlichen Wahrnehmungen oder Vorkommnissen. Selbst Ralph fühlte sich hier allmählich wieder genauso wohl wie früher. Allerdings hatte er seit dem Auszug keine Nacht mehr im Haus verbracht, und nach einer Woche beauftragte er einen Immobilienmakler, es zu verkaufen.
    Je mehr er über Sams Manuskript nachdachte, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß niemand es zu Gesicht bekommen sollte. Rechtlich und moralisch betrachtet, gehörte es wohl Sam Townes Familie. Vielleicht auch seinen Kollegen von der Universität. Da Sam jedoch keinen schriftlichen Vermerk hinzugefügt hatte, für wen dieses Dokument eigentlich gedacht war, blieb es ihm, Ralph, weitgehend selbst überlassen, was er damit anfangen würde.
    In der Nacht, bevor er das Hotel verließ und in seine neue, kom-fortable Wohnung an der Ecke Madison Avenue / 64. Straße einzog, holte er das Manuskript aus dem Hotelsafe und verbrannte es Blatt für Blatt in dem metallenen Abfalleimer in seiner Suite. Und dabei schien es ihm, als würde er jetzt die Geschichte abschließen und einen endgültigen Schlußstrich unter die Sache ziehen. Was Sam Towne geschrieben hatte, würde kein normaler Mensch als buchstabengetreue Wahrheit akzeptieren. Es war bestenfalls eine Phantasiegeschichte, die Ausgeburt eines neurotischen Geistes. Gestalten wie Ellie und

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