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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Sam unterbrach sich mitten in einem Satz und blickte hinaus auf den dunklen Hudson. Joanna gewöhnte sich bereits an diese geistesabwesenden Momente, in denen seine Gedanken plötzlich in eine ganz eigene, für andere unerreichbare Welt abzuschweifen schienen, bis sein Verstand verarbeitet hatte, was ihn gerade beschäftigte. Diese Eigenschaft machte ihn seltsamerweise sogar noch attraktiver, weil sie ihn so verloren erscheinen ließ. Es verbarg sich hinter ihr eine unerwartete Verletzlichkeit, eine gewisse Einsamkeit.
    »Weißt du was«, sagte er nach einer Weile, »wenn ich Roger Fullerton als Teilnehmer für diese Gruppe gewinnen könnte, wäre das nicht nur ein genialer Coup, es wäre ein absoluter Hammer.«
    »Wer ist Roger Fullerton?«
    »Mein ehemaliger Physikprofessor in Princeton. Er ist wirklich ziemlich berühmt, man hat ihn schon zweimal für den Nobelpreis nominiert, wenn er ihn auch letzten Endes nicht gekriegt hat. Wenn wir den in der Gruppe hätten, würden auch die Leute auf uns aufmerksam werden, die sonst alle Forschung auf dem Gebiet des Paranormalen irgendwo zwischen Gruppenhysterie und ausgemachtem Bluff ansiedeln.«
    »Meinst du, er würde mitmachen?«
    »Ich weiß es nicht.« Sam lachte leise und wandte den Blick vom Fluß ab und zu Joanna zurück. »Er war immer einer von diesen Leuten, die solche Projekte irgendwo zwischen Gruppenhysterie und ausgemachtem Bluff ansiedeln.«
    »Du hast doch gesagt, daß das Ganze nur funktioniert, wenn alle Teilnehmer offen und unkritisch an die Sache herangehen. Jetzt sagst du, wir sollten einen Skeptiker dabeihaben.«
    »Das Besondere an der Skepsis ist, daß sie zwei Seiten hat. Wahre Skeptiker sind aufgeschlossen. Roger hat mit Einstein und Niels Bohr zusammengearbeitet. Er ist einer der letzten jener Generation, die herausgefunden hat, daß die Wirklichkeit immer unwirklicher wird, je genauer man sie unter die Lupe nimmt. Eigentlich sollte man annehmen, daß Telepathie und Psychokinese für solche Leute ein gefundenes Fressen sind.«
    »Und warum ist es nicht so?«
    Sam zuckte die Achseln und goß Joanna den Rest Champagner ins Glas.
    »Frag ihn selbst. Hast du Samstag nachmittag Zeit?«
    »Könnte sein.«
    »Dann komm mit nach Princeton. Ich glaube, Roger wird dir gefallen. Und ich weiß, daß du ihm gefallen wirst.«

KAPITEL 11 Als Sam den Wagen parkte, begann es zu regnen. Unter einem alten Regenschirm, den er im Kofferraum gefunden hatte, rannten sie die baumbestandenen Wege auf dem Campus entlang. Im zweiten Stock eines dieser Gebäude im neogeorgianischen Stil klopfte Sam an eine Tür, und eine beschwingte Stimme rief: »Kommt rein!«
    Ein alter Kavalier, so ließ sich Roger Fullerton am treffendsten beschreiben, dachte Joanna. Er trug einen tadellos sitzenden dreiteiligen Anzug aus teurem Tweed, sein weißer Schnurrbart war an den Enden hochgezwirbelt. Und wie seine Augen funkelten, als sie ihm vorgestellt wurde! Kein Wunder, daß Sam glaubte, sie habe vielleicht größeren Einfluß auf den alten Herrn als er.
    Während sie es sich in den Ledersesseln bequem machten, brachte jemand Tee. In diesem Zimmer hatte Fullerton also seit mehr als vierzig Jahren doziert und Diskussionsgruppen geleitet. Es herrschte eine Atmosphäre altehrwürdiger Noblesse. Gerahmte Fotografien von Personen, die ihr vage bekannt vorkamen, manchmal in Gesellschaft eines jungen und sehr gut aussehenden Fullerton, hingen willkürlich und schief an den getäfelten Wänden. Bücher und Aufzeichnungen lagen überall verstreut und verstärkten den Eindruck eines sorgsam gehüteten Chaos. Neben einem Buntglasfenster stand ein Computer.
    »Also«, meinte Fullerton, während er den Blick von Joannas Beinen abwandte, die er mit so großer Offenheit und Unschuld bewundert hatte, daß man ihm unmöglich böse sein konnte. »Zweck dieses Besuchs ist es wohl, mich zu überreden, bei einem von Sams verrückten sogenannten ›Experimenten‹ mitzumachen, stimmt’s?«
    Er sprach mit einem ganz leichten britischen Akzent, der Joanna an Ray Milland oder Cary Grant in diesen alten Filmen erinnerte, die spätabends im Fernsehen laufen. Kurz sah sie zu Sam hinüber, doch der schlürfte nur seinen Tee und schien Rogers abschätzige Bemerkung überhört zu haben.
    »Ich denke, das hat er mehr oder weniger aufgegeben«, erwiderte sie vorsichtig. »Auf dem Weg hierher hat er noch gesagt, er sei darauf vorbereitet, sich wieder mit einer vergeblichen Debatte begnügen zu müssen, aber immerhin halte

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