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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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sie ungestört reden könnten. Vielleicht an einem der nächsten Nachmittage? Zum Tee? Großartig, stimmte sie zu und redete sich ein, daß sie selbstverständlich nur dann etwas wirklich Interessantes über den Mann schreiben konnte, wenn sie wußte, wie er lebte. Einen Fotografen konnte sie ja später immer noch vorbeischicken, wenn sie das Gefühl hatte, daß sich das lohnte.
    Punkt vier Uhr am verabredeten Donnerstag ließ sie sich von einem Taxi an der angegebenen Adresse absetzen. Sam wohnte in einem aus großen Steinquadern gebauten Haus am Riverside Drive, im fünften Stock mit herrlicher Aussicht über den Fluß. Die Wohnung selbst war verwinkelt, schäbig und (am allerwichtigsten) sie unterlag der Mietpreisbindung. Er hatte sie von einem Freund aus Studientagen geerbt. Die lange akademische Vergangenheit war ihr anzusehen: Die Hälfte der Möbel und nicht wenige der Bücher, die wirklich jede Wand einnahmen, gehörten Vormietern, die all ihren Versprechungen zum Trotz nie wieder aufgetaucht waren, um ihren Kram abzuholen. Das machte aber nichts, denn alles hatte seinen persönlichen Wert, und nichts wurde weggeworfen, bevor es nicht unwiderruflich und endgültig aus dem Leim gegangen war.
    Bei einem Earl-Grey-Tee und exquisiten Petits Fours aus einem belgischen Delikatessengeschäft an der West Side, das er ihr gern einmal zeigen wollte, begannen sie mit dem Interview. Joannas kleiner Kassettenrekorder lag auf dem Tisch zwischen ihnen und lief lautlos mit, am Ende des Gesprächs waren mehrere Kassetten bespielt. Joanna wußte nun, daß Sams Vater eine Arztpraxis auf Cape Cod hatte und seiner Frau seit fünf Jahren versprach, nächstes Jahr endgültig in den Ruhestand zu gehen, aber keinerlei Anstalten dazu machte. Es schien eine glückliche Kindheit gewesen zu sein: Sam war oft segeln und reiten und war zusammen mit seinen zwei älteren Brüdern, von denen einer inzwischen Geschichtsprofessor in Harvard und der andere Herzspezialist in Chicago war, gern über die Klippen gesprungen und auf Bäume geklettert. Sam selbst hatte in Princeton einen Magisterabschluß in Physik gemacht und einen Doktortitel in Psychologie erworben.
    »Eine Familie, die es weit gebracht hat. Ich bin beeindruckt«, meinte sie.
    »Der Einfluß unseres Vaters. Er hat uns nie zum Lernen ermahnt, er hat einfach unser Interesse geweckt. Wenn einer von uns eine Frage hatte, egal was es war, holte unser Vater entweder ein Buch aus seiner Bibliothek oder brachte am nächsten Tag eins mit und ließ es herumliegen. Er hat es wirklich verstanden, uns Kinder für alles mögliche zu begeistern.«
    »Und Ihre Mutter…?«
    »Mama ist eine Dilettantin im klassischen Sinne – sie malt, spielt Oboe im Stadtorchester und schreibt Romane.«
    »Habe ich etwas von ihr gelesen?«
    »Das glaube ich nicht. Es ist nur ein Buch von ihr erschienen, und das ist über zwanzig Jahre her, aber das entmutigt sie nicht im geringsten. Außerdem leitet sie eine kleine Reisegruppe – letztes Jahr sind sie nach China gefahren.«
    »Das klingt geradezu einschüchternd.«
    Er lachte. »Eine ganz durchschnittliche amerikanische Familie.«
    »Anders als meine.«
    Joannas Eltern waren wirklich nicht ungebildet, doch gegenüber dieser Familie von begnadeten Exzentrikern, die Sam ihr geschildert hatte, wirkten sie ziemlich blaß. Ihr Vater hatte bei der Marine fliegen gelernt, war dann bei der zivilen Luftfahrt Pilot gewesen und schließlich leitender Angestellter bei einer Fluggesellschaft geworden. Mama war immer einfach nur Mama gewesen: kein biederes Hausmütterchen, aber auch keine weltreisende und schriftstellernde Bohème-Künstlerin. Und als Einzelkind in einer nicht-intellektuellen Familie hatte Joanna ihre geistigen Anregungen nahezu ausschließlich über das Fernsehen erhalten. Allerdings hatte sie sich sehr angestrengt, die Universität besucht und ein Journalismusstudium abgeschlossen. Das Schöne an ihrem Beruf, fand sie, war, daß man ständig etwas dazulernte. So konnte sie die verlorene Zeit wettmachen und wurde sogar noch dafür bezahlt.
    »Übrigens«, sagte sie schließlich und hoffte, daß es nicht übertrieben beiläufig klang, »sind Sie oder waren Sie einmal verheiratet?«
    »Nein«, antwortete er ebenso beiläufig, als erübrige sich jede weitere Erklärung.
    »Darf ich fragen, ob es Ihrer Ansicht nach einen bestimmten Grund dafür gibt?« hakte sie nach und lächelte dabei, so als ob er sich in diesem Punkt allzu schamhaft zurückhielte.
    Doch er

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