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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Schließlich konnte sie später immer noch ihre Bandaufnahme abhören und gegebenenfalls Fragen stellen. Sam argumentierte, aufgrund bestimmter Experimente sei erwiesen, daß es eine Art von Kommunikation, die schneller ist als die Lichtgeschwindigkeit, wirklich gibt. Roger hielt dagegen, ein solcher Schluß sei eine Fehlinterpretation dessen, was bei den Experimenten wirklich passiert sei.
    »Was bei einer naiven und vereinfachenden Interpretation von Bell herauskommt«, faßte Roger zusammen, indem er die Worte förmlich herausspie, »ist, daß das Universum aus einem Stoff besteht, der rein gar nichts mit dem zu tun hat, was wir bisher entdeckt oder auch nur gedanklich erfaßt haben. Wenn man das einmal akzeptiert hat, wird allem möglichen Schwachsinn – wie Astrologie, Zahlenmystik und so weiter – Tür und Tor geöffnet. Das ist absolute intellektuelle Anarchie.«
    Sie verstummten für einen Augenblick, als der Kellner die Vorspeisen brachte. Sam steckte sich eine Gabel vorzüglicher Ravioli mit Hummerfüllung in den Mund. »Weißt du, was ich glaube. Roger? Gleich wirst du anfangen zu leugnen, daß sich dieser Tisch neulich wirklich bewegt hat.«
    »Sam, das ist unfair«, protestierte Joanna. »Roger hat sich aus freien Stücken bereit erklärt, die Sache öffentlich zu bestätigen, auch wenn er damit seinen Ruf aufs Spiel setzt.«
    »Danke, Joanna.« Roger schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln.
    »Du hast recht. Entschuldige, Roger«, gab Sam nach. »Und ich sage das nicht nur, weil du das Mittagessen bezahlst – ich meine es ganz ehrlich.«
    Roger ignorierte den feinen Spott in Sams gutgelaunter Entschuldigung. »Ich möchte nur sagen, daß wir mit unseren Annahmen über das Zustandekommen dieses Effekts genauso vorsichtig sein müssen wie mit unserer Feststellung, daß er existiert.«
    »Ich gehe lediglich davon aus«, meinte Sam, »daß der Effekt geistiger Natur ist und daß sein Ursprung in uns selbst liegt. Darin sind wir uns doch wohl einig.«
    »Dämonen oder Tote würden wesentlich mehr Sinn ergeben als so manche von diesen Ideen, mit denen du hausieren gehst.«
    »Roger, Joanna nimmt das alles auf Band auf. Komm, sag ihr, daß du das nicht ernst meinst.«
    Roger spießte eine Gabel von seinen Spaghetti mit Meeresfrüchten auf, verharrte mit der Gabel in der Hand und schloß das Thema mit den Worten ab: »Ganz im Gegenteil – ich würde stets dem Unmöglichen den Vorzug vor dem Unverständlichen geben.«
     
    Kurz nach Mitternacht kehrte Joanna in ihre Wohnung zurück. Zwar hatte sie den Abend mit Sam verbracht, dann aber ein Taxi nach Hause genommen, weil sie am nächsten Morgen schon ganz früh mit ihrer Story anfangen wollte. Sie schaltete das Licht ein, zog ihren Mantel aus und begann ihre Post durchzusehen, die sie aus dem Briefkasten im Flur mitgenommen hatte. Es waren die üblichen Rechnungen und Wurfsendungen. Aber es war auch eine Einladung zu einer Hochzeit dabei, mit der sie schon eine ganze Weile gerechnet hatte, und ein Brief von einer Freundin, die bei einer Bank in Sydney arbeitete. Den würde sie morgen beim Frühstück lesen. Schließlich entdeckte sie auch eine Ansichtskarte ihrer Eltern aus Paris.
    Sie las die hastig hingekritzelten Zeilen ihrer Mutter, die ihr berichtete, wo sie überall gewesen waren und was sie alles gesehen hatten. Am untersten Rand hatte ihr Vater noch Platz für einen Gruß gefunden. Dann drehte sie die Karte um und betrachtete das Bild.
    Es war die Reproduktion eines großen Ölgemäldes. Im ersten Moment glaubte sie es schon einmal gesehen zu haben. Es erinnerte sie an die Illustrationen in den Büchern, die sie über die Französische Revolution gelesen hatte, und stammte möglicherweise aus derselben Epoche. Das Bild hatte etwas Künstliches, das hohle Pathos, das man von Darstellungen historischer Ereignisse kennt, bei denen eine große Persönlichkeit im Mittelpunkt steht. Irgendwie kam ihr die zentrale Gestalt in der Uniform und dem kokardengeschmückten Hut bekannt vor. Und tatsächlich – als sie die Karte umdrehte, las sie kleingedruckt in einer Ecke: Lafayettes Vereidigung auf die Verfassung in Paris 1790.
    Noch einmal drehte sie die Karte um und studierte das Bild genauer. Nun wußte sie, daß sie es noch nie gesehen hatte, aber zugleich beschwor es etwas aus der Erinnerung in ihr herauf. Sie betrachtete Lafayette und die sorgsam in Szene gesetzten Gestalten um ihn herum. Einige von ihnen waren auf klassische Weise idealisiert, auf ihren

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