Ex
zehnten Gast hereinführte, atmete Joanna erleichtert auf. Es war Algernon, ein charmanter schwuler Innenarchitekt, den sie schon seit vielen Jahren kannte und der inzwischen schon seinen Ruhestand genoß.
Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, Isabel Carlisle zu fragen, ob sie je einen gewissen Ralph Cazaubon getroffen habe. Denn Ned und Isabel kannten Gott und die Welt, zumindest hier draußen.
»Cazaubon? Nein, bestimmt nicht. An so einen ungewöhnlichen Namen würde ich mich erinnern. Bist du sicher, daß er hier in der Gegend wohnt?«
»Er hat ein Häuschen hier draußen gemietet. Wieviel Zeit er hier verbringt, weiß ich allerdings nicht.«
Isabel überlegte noch eine Zeitlang, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, den Namen habe ich bestimmt noch nie gehört.«
KAPITEL 36 Der Sonntag war wieder ein klarer, sonniger Tag, nur ein paar Schäfchenwolken schwebten hoch droben am Himmel.
Joanna rief ihre alten Freunde Annie und Bruce Murdock an, die eine Reitschule leiteten, und fragte, ob sie sich für ein paar Stunden ein Pferd ausleihen könnte. Das sei kein Problem, versicherten ihr die Murdocks. Also zog sie Jeans und Pullover an und fuhr mit dem Wagen ihrer Mutter hin. Zwanzig Minuten später ritt sie durch ein Waldstück, bis sie eine lange, grasbewachsene Hügelkette erreichte. Da ließ sie das Pferd galoppieren und jagte mit ihm auf ein mächtiges Felsmassiv zu, das in das Tal hineinragte und den passenden Namen Eagle Rock trug.
Während sie noch in vollem Galopp dahinpreschte, bemerkte sie schräg rechts von sich einen anderen Reiter, der offenbar auf dasselbe Ziel zuhielt. Beim Näherkommen winkte er ihr zu, und sie erkannte Ralph Cazaubon. Sie zügelten die Pferde, bis sie Seite an Seite nebeneinanderher trabten.
»Ein schönes Tier«, meinte sie zu dem beeindruckenden Hengst, den er ritt. »Gehört er Ihnen?«
»Ja.« Er tätschelte den schimmernden kastanienbraunen Hals. »Das ist Duke.«
»Wo haben Sie ihn denn untergestellt?«
»Oh, er wird gut versorgt, auf einer Farm nicht weit von mir. Hast ein schönes, einfaches Leben, nicht wahr, mein Junge?«
Wie zur Bestätigung warf das Pferd den Kopf hoch.
»Auf welcher Farm?« fragte sie. »Vielleicht kenne ich sie.«
»Das bezweifle ich. Kennen Sie die Waterfords?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, Sie kommen mir ziemlich geheimnisvoll vor. Erst sind Sie gestern vormittag plötzlich verschwunden, gerade als ich sie meiner Freundin Clare Sexton vorstellen will – die Ihnen übrigens soviel ockergelben Stoff besorgen kann, wie Sie nur haben wollen. Dann habe ich gestern abend Isabel Carlisle gefragt, ob sie Sie kennt, was aber nicht der Fall ist – obwohl Isabel wirklich jeden im Umkreis von dreißig Kilometern kennt, samt seiner Familiengeschichte.«
Er lachte. »Wie schon gesagt, ich habe hier nur ein Haus gemietet. Und wenn ich hier bin, lebe ich ziemlich zurückgezogen.«
»Was tun Sie denn? Schließen Sie sich im stillen Kämmerchen ein und schreiben Gedichte?«
»Fast. Ich schreibe Musik.«
»Sie sind Komponist? Wie interessant! Welche Art von Musik schreiben Sie?«
»Hauptsächlich nicht aufgeführte Opern.« Er lächelte bedauernd und sah sie an. »Haben Sie Lust auf eine Tasse Kaffee?«
Sie war überrascht von dieser Frage, doch da zog er eine Thermoskanne aus seiner Jacke wie ein Zauberer ein Kaninchen aus dem Hut. An der windgeschützten Seite des Eagle Rock stiegen sie ab. Zu der Thermoskanne gehörten zwei Trinkbecher, die er beide füllte. Während sie den guten, kräftigen Kaffee tranken, genossen sie die frische Luft und die Stille. Nur der Wind pfiff leise, und gelegentlich klirrte das Zaumzeug der Pferde, die auf dem Grasland weideten.
»Nun«, meinte Joanna nach einer Weile, »ich vermute, Sie finanzieren Ihre unaufgeführten Opern mit Werbeliedchen, Filmmusik und ähnlichem?«
Er lachte entschuldigend. »Nicht ganz. Ehrlich gesagt ist es mehr eine Art Hobby. Ich habe ein bißchen Geld geerbt und Glück auf dem Aktienmarkt gehabt. Und so kann ich jetzt das tun, was mir wirklich Spaß macht. Aber ich hoffe, daß ich irgendwann auch einmal etwas damit verdienen werde. Und was machen Sie?«
Sie erzählte ihm kurz von ihrer Arbeit bei der Zeitschrift und den Artikeln, die sie schrieb. Allerdings erwähnte sie nichts von Camp Starburst oder der Adam-Geschichte. Er kenne Around Town, meinte Ralph, aber er lese die Zeitschrift nicht, bei Gelegenheit wolle er jedoch mal hineinschauen und nach Joannas
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