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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Vater, der Genaueres erfahren wollte.
    Joannas wegwerfende Geste sollte andeuten, daß sich das Ganze als wenig ernst zu nehmende Spielerei entpuppt hatte.
    »Nichts als ein bißchen Rumpeln und Tischeklopfen, was im übrigen sogar häufiger vorkommt, als man glaubt. Ich habe genug Stoff für einen Artikel, zumindest so viel, daß ich was Lesbares daraus machen kann. Aber etwas besonders Sensationelles wird es wohl nicht werden.«
    Diese Lüge würde schonungslos aufgedeckt werden, wenn eines Tages ihr Artikel erschien, egal ob sie oder jemand anderer als Verfasser genannt wurde. Doch darüber würde sie sich später Gedanken machen. Im Augenblick kam es für sie nur darauf an, diesen Ort der Zuflucht und der Geborgenheit einige wenige Tage lang vor dem Wahnsinn abzuschirmen, der über ihr Leben hereingebrochen war.
    Sie standen da und sahen einander an, Joanna auf der einen Seite des Tischs, ihre Eltern gegenüber.
    »Trotzdem«, sagte ihre Mutter, und in ihrer Stimme schwang große Beunruhigung mit, »sind drei Menschen ums Leben gekommen… innerhalb weniger Tage…«
    »Ach komm, Mama…« Joanna tat ihren Einwand mit einem verwunderten Lachen ab, das, wie sie hoffte, nicht allzu künstlich klang. »Ich habe das Gefühl, du siehst Gespenster. Ich meine, wir reden hier von einem Herzinfarkt und einem Verkehrsunfall. Es ist ein Zufall, ein tragischer zwar, aber auch nicht mehr.«
    Halt, ermahnte sie sich, sag jetzt nichts mehr, sonst weckst du nur neues Mißtrauen.
    »Soll ich uns einen Kaffee kochen?« schlug sie vor. Das tat sie oft nach einem Essen im Kreis der Familie, ihr ›unschätzbarer Beitrag zu einem gelungenen Abend‹, wie sie es gern scherzhaft nannte. »Und dann können wir uns eure Videos ansehen. Die interessieren mich wirklich – ich verspreche euch, daß ihr mir nichts dafür bezahlen müßt!«
    Kaum ein Wort wurde gesprochen, als die Seine-Brücken, die Themse und der Londoner Tower vorüberzogen und die verwinkelten Gassen Roms immer wieder unverhoffte Ausblicke auf große Plätze und imposante Bauten freigaben. Joanna freute sich jedesmal wie ein kleines Kind, wenn sie ihren Vater oder ihre Mutter auf dem Bildschirm entdeckte, applaudierte bei jeder gelungenen Kameraeinstellung, erzählte Anekdoten und frischte die eine oder andere Erinnerung auf, wenn sie einen Ort wiedererkannte, an dem sie früher schon mit ihren Eltern gewesen war.
    Es war eine gute schauspielerische Darbietung, aber eben nicht echt. Und an den verhaltenen Reaktionen ihrer Eltern erkannte sie, daß sie das gemerkt hatten.
    Doch sie stellten keine Fragen, und es gab keine peinlichen Situationen. Nur einmal, als sie mit ihrer Mutter allein war und sie sich ihren Gute-Nacht-Kuß gaben, da sah Elizabeth Cross ihrer Tochter in die Augen, und in ihrem Blick lag so viel zärtliche, liebevolle Zuneigung, wie sie nur eine Mutter für ein erwachsenes Kind empfinden kann, das allein, unabhängig und schutzlos draußen in der Welt steht.
    »Es ist doch alles in Ordnung, Schätzchen, oder?«
    »Natürlich, Mama, es geht mir wirklich gut.«
    »Weißt du, wenn dir irgend etwas zustoßen würde… ich glaube, das könnte ich nicht ertragen.«
     
    KAPITEL 35 Als Joanna kurz nach acht Uhr morgens aufwachte, war sie überrascht, wie gut sie geschlafen hatte. Sie zog die Jalousien hoch und sah, daß ein wundervoller Herbsttag sie erwartete. Später fuhr sie mit ihrer Mutter zum Einkaufen in die Stadt. Sie parkten am Ende der Hauptstraße, auf dem Parkplatz gleich neben dem Markt, wo die bleichen, fast weißen Äste der kahlen Bäume in den klaren, blauen Himmel ragten.
    Joanna schien es, als wären die Menschen in der überdachten Markthalle irgendwie in Feststimmung, obwohl die Vorweihnachtszeit noch lange nicht begonnen hatte. Ihrer Mutter dicht auf den Fersen, zwängte sie sich an eiligen Einkäufern, schlendernden Paaren und Familien beim Wochenendeinkauf vorbei.
    Zielstrebig und geschäftig flitzte Elizabeth Cross vom Gemüsestand zum Käse und dann zum Obst und belud den Einkaufswagen, den Joanna schob. Mittags sollte es nur eine Kleinigkeit zu essen geben, weil sie abends zum Essen bei Freunden eingeladen waren. Über das Gespräch vom Vorabend hatten ihre Eltern kein Wort mehr verloren. Joanna war ihnen ausgesprochen dankbar dafür, denn nun brauchte sie ihnen nichts mehr vorzuspielen. Das Problem war zur Sprache gebracht und damit auch abgehakt worden. Vielleicht gelang es ihr ja sogar, diese vergangenen Wochen hinter sich zu

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