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EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung

EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung

Titel: EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathias Frey
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Übertragung von Osmans Auftritt durch einen regionalen Sender hatte die TFP auch eigene Kamerateams vor Ort, da man plante, eine Aufzeichnung der Veranstaltung an eine halbe Million Haushalte mit hohen Einkommen zu senden. Osman war klar, dass er sich heute noch mehr anstrengen musste als sonst. Über sein Gesicht zog ein zufriedenes Lächeln, als man ihm noch im Bus mitteilte, dass Hunderte seine Ankunft vor dem Einkaufszentrum erwarteten und der Zuschauerbereich bis auf den letzten Platz besetzt sei.
       Kurze Zeit später war er von Menschenmassen umringt. Es war schwer auszumachen, wer nur aus Neugierde gekommen und wer ein überzeugter Sezessionist war. Aber die Bilder waren so, wie man sie geplant hatte. Seine Personenschützer hatten Mühe, wenigstens so viel Platz vor dem Bus zu schaffen, dass Osman aussteigen konnte. Er hatte sich inzwischen im Leistungshändeschütteln stark verbessert – Grundvoraussetzung für jede politische Kampagne. Noch vor einer Woche war es ihm schwer gefallen, mehr als zwei Hände gleichzeitig zu drücken. Heute gelang es ihm problemlos, durch beidhändiges beherztes Greifen in die ihm zugestreckte Händemasse einem guten halben Dutzend Menschen gleichzeitig das Gefühl zu geben, sie persönlich begrüßt zu haben. Nach fünf Minuten hatte er sich bis zum Eingang der Galleria vorgearbeitet. Dort fand wie vereinbart ein kurzes Interview mit einem Radiosender statt, das live übertragen wurde. Danach machte sich der ganze Tross auf den Weg zur Bühne. Nicht nur im Händeschütteln hatte Osman Politikermanieren angenommen. Da bei jedem Auftritt Sicherheitsleute und Organisatoren vorausmarschierten, gefiel es ihm, dann und wann die rhetorische Frage »Wohin gehen wir?« zu stellen. Sie gab ihm das Gefühl von Wichtigkeit.
       »Meine Damen und Herren, begrüßen Sie Vince Osman, den ersten Präsidenten der neuen Republik Texas!«, kündigte ein Sprecher Osman an. Begeisterung von den Zuschauern in den vorderen Reihen, höflicher Applaus weiter hinten. Wie immer kam Osman mit einer Texas-Fahne um die Schultern aus der Kulisse. Er lachte, winkte, zeigte auf einige Leute und hielt den Daumen nach oben, als ob er sie kenne und sagen wolle, schön, dass du auch gekommen bist. Zwischendurch salutierte er locker und schüttelte, Erstaunen über den Applaus simulierend, den Kopf. Nach einiger Zeit ging er zum Rednerpult, bedankte sich und bedeutete den Menschen mit beschwichtigenden Gesten, langsam zur Ruhe zu kommen. Die Texas-Fahne auf seinen Schultern hängte er an die Frontseite des Rednerpults.
       »Danke. Danke. Ich freue mich riesig, heute in Houston sprechen zu dürfen, der wirtschaftlichen Lokomotive der Republik Texas!«
       Wie vorbestellt brandete nach dieser Einleitung der Applaus auf. Niemand aus dem Publikum schrie »We love you!«, aber Osman nickte dankbar und brüllte ein entzücktes »I love you, too!« zurück. Er hielt seine Hand ans Herz und schüttelte gerührt den Kopf, die Lippen zusammenpressend. Dann kam der erste emotionale Höhepunkt des Auftritts.
       »Meine Damen und Herren, wollen wir zuerst eine Minute für die Opfer von Sandrock schweigen.« Osmans Gesichtsaudruck wechselte auf maximal betroffen. Stille kehrte ein. Fotoapparate der Presse klickten, eine an einem Ausleger montierte Kamera schwebte von der Bühne aus übers Publikum.
       »Danke«, beendete Osman die Schweigeminute und leitete mit dem nächsten Satz die Wahlkampfrede ein. Mit heruntergezogenen Augenbrauen sagte er nach einer Kunstpause so eindringlich, wie es ihm nur möglich war: »We will never forget!«
       Eine halbe Wahlkampfrede später hatte Osman das Publikum weitgehend eingenommen. Jetzt war der Zeitpunkt für Osmans Abgang und damit für den Start der zweiten Phase des TFP-Wahlkampfs gekommen. Niemand bemerkte den Mann auf der unteren der beiden Galerien, die sich im Rechteck über den Ort der Veranstaltung zogen. Er stand direkt am Geländer auf Höhe der Bühne. Bisher war er nicht aufgefallen. Er hatte geklatscht, als die anderen geklatscht hatten und hörte zu, wenn die anderen zuhörten. Der Mann blickte um sich, als ob er jemanden suchen würde, und schaute dann wieder zur Bühne. Nachdem er in die rechte Tasche seines Mantels gegriffen hatte, ging alles sehr schnell. Er richtete die Pistole auf Vince Osman, schrie »Lang lebe Abraham Lincoln!« und zog den Auslöser in schneller Folge sechs Mal durch. Ein siebter Schuss löste sich aus der Waffe eines auf der

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