Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
Gesicht heranlaufen.
»Sie sollten hier drinnen nicht laufen«, sagte Müller, »nicht mal in den sicheren Zonen. Es lässt sich absolut nicht voraussagen …«
Rawlins warf sich neben einem badewannenförmigen Becken aus Sandstein auf die Bodenplatten, hielt seine Seiten und schnaufte. »Geben Sie mir einen Schnaps, ja?«, keuchte er. »Dieses Zeug von Ihnen ist wirklich …«
»Sind Sie in Ordnung?«
»Nein.«
Müller ging zum nahen Springbrunnen und füllte seinen Trinkbecher mit dem starken Getränk. Rawlins zeigte keinen Abscheu oder Widerwillen, als Müller herankam und ihm den Becher in die Hand drückte. Er schien die Ausstrahlung überhaupt nicht wahrzunehmen. Gierig leerte er den Becher, ließ Tropfen der hellen Flüssigkeit übers Kinn und auf seine Kleider rinnen. Dann schloss er seine Augen einen Moment.
»Sie sehen furchtbar aus«, sagte Müller. »Als ob Sie eben vergewaltigt worden wären, würde ich sagen.«
»Das bin ich.«
»Was ist passiert?«
»Warten Sie. Lassen Sie mich verschnaufen. Ich bin die ganze Strecke von Zone F gerannt.«
»Dann können Sie von Glück sagen, dass Sie noch leben.«
»Vielleicht.«
»Noch einen Schnaps?«
»Nein, nein«, wehrte Rawlins ab. »Jetzt nicht.«
Müller musterte ihn verdutzt. Die Veränderung war bestürzend. Bloße Erschöpfung oder Übermüdung konnte nicht dafür verantwortlich sein. Rawlins' Augen waren blutunterlaufen und bewegten sich willkürlich, suchend und nicht findend. Sein Gesicht war gerötet und gedunsen. Betrunken? Krank? Von Drogen berauscht?
Rawlins sagte nichts.
Um das Vakuum der Stille zu füllen, sagte Müller endlich: »Ich habe über unser letztes Gespräch nachgedacht, Ned. Ich glaube, es war verkehrt, wie ich mich benommen habe. Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, ich sei ein verbitterter alter Sonderling und Misanthrop.« Er spähte in die unsteten Augen des anderen. »Hören Sie, Ned, ich bin bereit, für eine Behandlung zur Erde zurückzukehren. Selbst wenn die Behandlung experimentell ist, werde ich sie riskieren. Ich meine, das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass sie mich nicht heilen wird, und …«
»Es gibt keine Behandlung«, sagte Rawlins dumpf.
»Keine – Behandlung …«
»Keine Behandlung. Nichts dergleichen. Es war alles eine Lüge.«
»Ja. Natürlich.«
»Sie sagten es selbst«, erinnerte ihn Rawlins. »Sie glaubten kein Wort von dem, was ich sagte. Entsinnen Sie sich?«
»Eine Lüge.«
»Sie verstanden nicht, warum ich Ihnen so etwas erzählte, und Sie sagten, es sei Unsinn. Sie sagten mir, ich löge. Sie fragten sich, was ich durch Lügen zu gewinnen hätte. Ich habe gelogen, Mister Müller.«
»Gelogen.«
»Ja.«
»Aber ich hatte meine Meinung geändert«, sagte Müller leise. »Ich war bereit, zur Erde zurückzugehen.«
»Es gibt keine Hoffnung auf eine Heilung«, sagte Rawlins.
Er erhob sich langsam und fuhr mit den Händen durch sein langes blondes Haar. Er ordnete seine Kleider. Er nahm den Becher auf, ging zum Springbrunnen und füllte ihn, brachte ihn Müller, der daraus trank. Er selbst stürzte den Rest hinunter. Etwas Kleines und gefräßig Aussehendes rannte an ihnen vorbei und huschte in eine Seitengasse.
Schließlich sagte Müller: »Wollen Sie mir etwas von alledem erklären?«
»Wir sind keine Archäologen.«
»Weiter.«
»Wir kamen nur Ihretwegen hierher. Es war kein Zufall. Wir wussten die ganze Zeit, wo Sie waren. Man blieb Ihnen auf der Fährte, seit Sie vor neun Jahren die Erde verließen.«
»Ich traf Vorsichtsmaßnahmen.«
»Sie nützten nichts. Boardman wusste, wohin Sie gingen, und er ließ Sie beobachten. Er unternahm nichts weiter. Er ließ Sie in Frieden, weil er keine Verwendung für Sie hatte. Aber als sich eine Verwendung ergab, musste er Ihnen nachgehen. Er hielt Sie in Reserve, sozusagen.«
»Charles Boardman hat Sie geschickt, um mich zu holen?«, fragte Müller.
»Darum sind wir hier, ja. Das ist der ganze Zweck dieser Expedition«, erwiderte Rawlins mit tonloser Stimme. »Ich wurde ausgewählt, Kontakt mit Ihnen herzustellen, weil Sie einmal mit meinem Vater befreundet waren und mir vielleicht vertrauen würden. Und weil ich ein offenes, unschuldig wirkendes Gesicht habe. Boardman dirigierte mich die ganze Zeit, flüsterte mir ein, was ich zu sagen hatte, unterwies mich bis ins letzte Detail und sagte mir sogar, welche Fehler ich machen sollte, um überzeugender zu wirken. Zum Beispiel riet er mir, in den Käfig zu gehen, was ich von
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