Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]
zwischen den »P. N.« und Gellhaus & Co. herzustellen. Um so mehr überrascht ihn die besonders höflich gehaltene Mitteilung der Firma Gellhaus & Co., daß sie das Wachstum der »P. N.« mit Interesse verfolge und gerne Verbindung mit ihnen aufnehmen wolle. Vielleicht habe Herr Gingold die Freundlichkeit, dem unterzeichneten Vertreter der Firma mitzuteilen, ob, wann und wo er ihn zum Zweck einer persönlichen Fühlungnahme aufsuchen dürfe. Auffallend ist, daß sich Gellhaus & Co. nicht etwa an die Expedition der »P. N.« wenden, sondern an Herrn Gingold persönlich. Unterzeichnet ist der Brief von dem Chef der Pariser Filiale, einem Herrn Gustav Leisegang.
Herr Gingold wußte genau, was eine Anzeige in den »P. N.« wert und was sie nicht wert war. Sicher standen hinter dem Angebot dieses Herrn Leisegang keine geschäftlichen Interessen, sondern dunkle, politische. Möglich, daß der Brief von einem Agenten der deutschen Geheimen Staatspolizei veranlaßt war, der ihn persönlich oder den Betrieb der »P. N.« bespitzeln wollte. Wie immer, das Schreiben bewies, daß man auf der Gegenseite die »P. N.« ernst nahm; das war Herrn Gingold eine angenehme Bestätigung.
Er war ein seriöser Geschäftsmann, und es war seinen Freunden und ihm selber verwunderlich gewesen, daß er sich dazu hatte verleiten lassen, die Finanzierung der »P. N.« zuübernehmen. Vom geschäftlichen Standpunkt aus war ein solches Blatt alles eher als interessant. Auch im besten Fall konnte der Gewinn in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem zu investierenden Kapital stehen, ganz abgesehen davon, daß Herr Gingold einen unverhältnismäßig großen Teil seiner kostbaren Zeit und Kraft darauf verwenden mußte, die leichtfertigen, zu Maßlosigkeiten neigenden Angestellten der »P. N.« von politischen und wirtschaftlichen Ausschweifungen abzuhalten. Zudem war Herr Gingold selber, trotz seines natürlichen Hasses gegen die Nazi, politisch desinteressiert. Warum also hatte er Geld, Zeit, Mühe, Leben in diese Angelegenheit gesteckt?
Er hatte das getan mit Rücksicht auf sein privates Konto bei Gott. Ja, Herr Gingold, der nüchterne, skrupellose Geschäftsmann, glaubte an Gott, an einen sehr persönlichen Gott, der irgendwo im Blau und Goldenen saß, genau Buch führte und recht unangenehm werden konnte, wenn man sein Konto überzog. Dieser Gott, der allerlei Segnungen auf Herrn Gingold herabgesandt hatte, erwartete, daß Herr Gingold seinesteils ihm die Segnungen abgelte, und zwar durch frommen Lebenswandel, vorbildliches Familienleben, gute Werke und Diverses.
Die Finanzierung der »P. N.« erschien in der innern Buchhaltung Herrn Gingolds unter diesem Posten »Diverses«. Und daß er die Gründung der »P. N.« mit Recht so buchte, daß er mit ihr wirklich eine gottgefällige Handlung begangen hatte, dafür war ihm dieses Schreiben des Herrn Leisegang von Gellhaus & Co. ein Zeichen. Gott bekundete auf diese Art sein Einverständnis mit der Finanzierung der »P. N.«.
Den Brief von Gellhaus & Co. in Händen, unterstrich Herr Gingold vor sich selber, welches Risiko er mit dieser Finanzierung auf sich genommen hatte. Sein Grundbesitz innerhalb der deutschen Reichsgrenzen zwang ihn, nach wie vor mit den Nazi Geschäfte zu machen, es liefen zwischen ihm und den Nazi hundert Fäden, er drohte, feilschte, kämpfte, bestach, er steckte sich, als Ausländer, hinter ausländische Regierungen,er war süß mit Nazifunktionären, wenn es am Platze war, und zeigte, wenn es angebracht war, die Krallen, kurz, er hatte viele Beziehungen zu den Nazi, mußte sie haben. Überdies saßen noch sein Schwiegersohn Benedikt Perles und seine Tochter Ida in Berlin. Es hatte Mut, Frömmigkeit und Gottvertrauen dazu gehört, unter diesen Umständen die Tageszeitung der Emigranten zu finanzieren.
Der Brief von Gellhaus & Co. kam somit recht eigentlich gottgesandt, und in seinem Innern war Herr Gingold vom ersten Augenblick an entschlossen, die Sache weiterzuverfolgen. Vorsicht war natürlich geboten, und Herr Gingold war denn auch von Anfang an vorsichtig gewesen; nicht einmal den treuen Nachum Feinberg hatte er den Brief sehen lassen. Durch diese Vorsicht hatte er vor Herrn Leisegang bereits einen Punkt voraus. Herr Gingold verstand nicht, wie dieser Leichtfertige in einer so delikaten Sache etwas Schriftliches aus der Hand geben konnte. Wozu hatte man das Telefon?
Langsam, mit hebräischen Schriftzeichen, malte er den Namen Leisegang auf ein Stückchen Papier.
Weitere Kostenlose Bücher