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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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routiniert, mit der linken Hand, erfüllte er seine journalistischen Pflichten, den Hauptteil seiner Zeit verwandte er auf den »Beaumarchais«. In seinen freien Stunden traf er sich mit den Pariser Bekannten, die noch da waren, er flirtete herum, oder er fuhr in der Abendkühle mit Maria ins Bois oder in die Umgebung, um irgendwo unter Bäumen oder am Wasser zu essen. Er führte, wie es schien, ein heiteres, ausgewogenes, arbeitsames, erfülltes Leben.
    Da, als er schon die Vollendung des »Beaumarchais« vor sich sah, trat ein Ereignis ein, das seine glückliche, gleichmäßige Arbeit jäh unterbrach. Das deutsch-schweizerische Gericht, das den Fall Friedrich Benjamin entscheiden sollte, war konstituiert worden, und zwar so, wie es sich die Berliner Regierung besser nicht hätte wünschen können. Unter den drei neutralen Schiedsrichtern, die den Ausschlag gaben, waren ein Finnländer und ein Ungar, Angehörige also von Nationen, die für die Methoden des Dritten Reichs bestimmt mehr Verständnis aufbrachten als andere Völker. Das war ein Erfolg für das Dritte Reich und ein großer persönlicher Erfolg für Heydebregg, welcher die Schritte inspiriert hatte, die das Reich in dieser Angelegenheit getan.
    Wiesener, als er die Meldung las, strahlte. Dieser große Triumph des Reichs und Heydebreggs bedeutete für die Emigranten eine ebenso große Niederlage. Besonders die Schmöcke der »P. N.« waren davon getroffen; sie waren in dem Streit um Friedrich Benjamin die Wortführer gewesen. Daß man das Schiedsgericht so günstig für Deutschland zusammensetzte, bewies, wie wenig die Schmöcke der Emigranten zu bestellen hatten, selbst wenn sie ihre ganzen internationalen Verbindungen spielen ließen. Was die Heilbrun und Trautwein trieben, waren Stilübungen, nichts weiter, und niemand von denen, in deren Händen Macht lag, nahm das ernst. Es bedeutete somit Heydebreggs und des Reichs Erfolg in Sachen Benjamin seine, Wieseners, Rehabilitierung. Wenn die »P. N.« selbst im Falle Benjamin, unterstützt von der gesamten Weltpresse, so wenig hatten ausrichten können, wie wenig erst wog dann der giftige, persönliche Angriff gegen ihn, dieser Angriff, von dem die Öffentlichkeit nicht einmal Notiz genommen hatte.
    Darüber hinaus aber zeigte der neue Erfolg des Reichs, wie richtig die Taktik war, die er, Wiesener, in Sachen der »P. N.« empfohlen hatte. Der einzige Einwand gegen seinen Plan, sich der »P. N.« zu bemächtigen, um aus dem Besitz eines scheinbar neutralen, ja feindseligen Organs Kapital zu schlagen, warder, daß seine Methode zu langwierig sei und den »P. N.« Zeit lasse für neue Angriffe. Jetzt aber zeigte sich, daß sich die Welt nicht einmal im Fall Benjamin um das Geschrei der »P. N.« gekümmert hatte; man durfte sich also ruhig erlauben, die Zermürbung dieser Zeitung langsam und sachgemäß vorzunehmen, ohne Rücksicht auf Angriffe, die sie allenfalls in der Zwischenzeit losließ. Die Zusammensetzung des Schiedsgerichts war somit auch ein persönlicher Triumph für Erich Wiesener.
    Nur wenige Atemzüge brauchte er, um diese Folgerungen zu ziehen. Kaum hatte er die Zeitungsmeldung gelesen, so war mit einemmal seine Resignation weggewischt, und weggewischt waren seine Träume vom stillen Leben für die Literatur. Entwölkt war er, belebt, strahlend. Hundert Projekte entstanden in ihm, journalistische, politische. Was war er für ein Narr gewesen, daß er hatte glauben können, das Schicksal habe ihn fallenlassen und ihn zu einem abseitigen Leben verurteilt, zu einem Leben im Brackwasser. Im Gegenteil, jetzt mochten seine Feinde sehen, daß man ihm nichts anhaben konnte. Die läppischen Attacken der Schmöcke hatten nur bewiesen, daß er unverwundbar war.
    Es war spät am Abend, die Fenster seines Arbeitszimmers standen weit auf, um die kühle Nachtluft hereinzulassen, zu seinen Füßen schillerten die Lichter der Stadt Paris. »Du trägst Cäsar und sein Glück«, sprach Wiesener leise vor sich hin, erfüllt, selig, und da er belesen und ein Snob war, sprach er es auf griechisch, wie der Satz beim Plutarch steht. Dann schloß er die Fenster und drehte am Radioapparat, er mußte Musik hören. Und auch da hatte er Glück. Es kamen Klänge, die er sehr liebte. Im Rahmen einer musikalischen Festwoche, die die Schweiz veranstaltete, wurde die Fünfte Sinfonie übertragen, und Kapellmeister Nathan dirigierte sie.
    Erich Wiesener setzte sich bequem zurück in seinen tiefen Ledersessel und hörte zu. Es

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