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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Triumph.
    Wiesener, wie der Heydebreggs Stimme im Apparat hörte, sah ihn leibhaft vor sich sitzen, die Schwänze seines Rocks sorgsam zurückgeschlagen, er roch ihn geradezu, er spürte den Blick der weißlichen Augen auf sich ruhen, Gott sei Dank war er zur Zeit weniger bedrohlich, und tiefe Genugtuung füllte ihn, daß Heydebregg über die letzten, bösen Wochen hinwegglitt, als wären sie nie gewesen, und wieder »junger Mann« zu ihm sagte.
    Auch weiterhin zeigte sich der Parteigenosse besonders gnädig. Ausführlich fragte er nach Wieseners Befinden, bedauerte ihn, daß er in dem heißen Paris geblieben sei, verstand durchaus den Wunsch, den »Beaumarchais« in der sommerlichen Stadt fertigzustellen, erkundigte sich interessiert nach den Fortschritten der Arbeit. Kehrte zurück zu den sogenannten Neuigkeiten aus Afrika und stellte anheim, die »P. N.« etwas energischer anzufassen. Er wolle natürlich dem Parteigenossen nicht ins Handwerk pfuschen, doch wäre es ihm persönlich ein Vergnügen, wenn die Schmöcke vor seiner Rückkehr nach Deutschland erledigt wären. Als sich Wiesener mit bescheidener Vertraulichkeit erkundigte, ob der Parteigenosse mittlerweile den Zeitpunkt dieser seiner Rückkehr nach Berlin festgesetzt habe, meinte Heydebregg, endgültig entschieden sei noch nichts; aber er werde, sowie Genaues feststehe, Wiesener informieren. Und beiläufig, freundschaftlich, mit wohlwollender Offenheit, fügte er hinzu, was seine Pläne für die allernächste Zeit anlange, so habe er jetzt vonBiarritz genug und beabsichtige, den Rest seiner Ferien in Arcachon zu verbringen.
    Wiesener gab es einen Stich, als er das Wort Arcachon hörte. Ihn selber drängte es nach Arcachon; wäre nicht Lea eine so unberechenbare Frau, dann nähme er das nächste Flugzeug. »Wie ist das, junger Mann«, fragte jetzt überdies das Nilpferd, »wollen Sie nicht auch hinkommen?« War das tückisch oder harmlos? »Daß Sie dort sind, Parteigenosse«, rang sich Wiesener eine liebenswürdige Antwort ab, »ist natürlich reizvoll. Aber ich habe mir nun einmal vorgenommen, vorerst den ›Beaumarchais‹ fertigzumachen.«
    Allein, überdachte er das Gespräch mit Heydebregg, jedes Wort, jeden Tonfall. Es blieb im Becher seiner Freude ein bitterer Tropfen, daß Heydebregg nach Arcachon gehen konnte und er nicht. Wie gern hätte er zusammen mit Lea die Wendungen und Umschwünge durchgesprochen, die diese letzten Wochen gebracht hatten. Niemand hätte mit besserem Verständnis sein ironisches Vergnügen geteilt daran, daß ihm alles scheinbare Unglück zuletzt immer wieder zum Glück ausschlug. Schade, daß diese läppische fixe Idee Leas zwischen ihnen stand. Soll er vielleicht doch glatt das nächste Flugzeug nehmen und eine Aussprache herbeiführen? Die Ereignisse beweisen doch, wie richtig er die Dinge von Anfang an gesehen hat. Das muß sie begreifen. Aber er kann es nicht wagen, es ist zu gefährlich. Gegen einen Traum, gegen eine Wahnvorstellung kommt man mit Vernunft nicht auf.
    Schade bleibt es, daß jetzt nicht er zu Lea geht, sondern der Parteigenosse.
    Doch er tröstete sich rasch fort über diese unmutige Anwandlung. Während der Wochen seiner Vereinsamung hatte er sich gesagt, gerade diese Zeit tätiger Reue werde Lea vergessen machen, was sie früher an ihm zu tadeln hatte, und sie werde die Leistung, die er da vollbringe, die Askese, mit der er sich des politischen Betriebes entschlage, zu würdigen wissen. Die ganzen Wochen hindurch hatte ihn die Hoffnung belebt, er werde nun gerade Lea bestimmt und für immer gewinnen.Jetzt vergaß er das alles, und, mit kühnem Saltomortale, sog er Hoffnung aus dem Gegenteil dessen, was ihn früher hatte hoffen lassen. Hatte früher sein politischer Mißerfolg, seine notgedrungene Abkehr von der Politik, ihm Gewähr geboten, daß er Lea wiedergewinnen werde, so sicherte ihm jetzt das Gefühl seines politischen Triumphes den Sieg auch über sie. Und diese neue Siegeszuversicht war viel weniger künstlich als die frühere. Seine frühere Hoffnung hatte er sich aus gewagten Sophistereien zusammenzimmern müssen; diese neue Hoffnung wurzelte in einer Überzeugung, die ihm inne war, seitdem er mit eigenen Augen sah und seine Erfahrungen nach eigenen Kategorien ordnete, in der tiefen Überzeugung, nichts sei mehr geeignet, die Weiber toll zu machen, als Erfolg.
    Herr Gingold, als er die Nachricht von der Zusammensetzung des Schiedsgerichts las, war ehrlich betrübt über die schlimme Wendung,

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