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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die der Fall Benjamin genommen hatte. Gott zürnte seinem Volk, er schlug es mit vielen Plagen, Edom war mächtig über Israel, und nun schien es, daß also auch in diesem Falle Benjamin die Urbösen den Sieg über die Gerechten davontragen würden.
    Sosehr indes Herr Gingold die Nachricht bedauerte, eine kleine Genugtuung verspürte er dennoch, als er sie überdachte. Es waren nämlich diese letzten Wochen für Herrn Gingold Zeiten innerer Unsicherheit gewesen, wie er sie seit langem nicht mehr durchlebt hatte. Er hatte, nachdem er einen äußerst bedenklichen Weg eingeschlagen, auf diesem Weg einen zweiten Schritt getan, den er sich hätte sparen können. Da er einmal seine Tochter und seinen Schwiegersohn glücklich hierher gesprengt hatte, wäre es seine Pflicht gewesen, sie in Paris zu halten, sie nicht zu den Urbösen zurückzulassen. Er hätte sein Herz verhärten müssen vor den Bitten seiner Tochter Ida, er hätte stark bleiben müssen und nicht zugeben dürfen, daß sich die beiden von neuem in Gefahr begaben. Dann wäre es in seinem Belieben gestanden,sich jederzeit von dem Geschäft mit den Urbösen zurückzuziehen und die »P. N.« so zu führen, wie es ihm im Interesse der Sache Gottes am richtigsten schien. Jetzt aber hatten, und durch seine Schuld, die Urbösen ihre Geiseln von neuem in der Hand. Zwar vertraute er seiner eigenen Gewandtheit, daß er trotzdem die Sache mit den »P. N.« zum guten Ende führen werde, zur höheren Ehre Gottes und sich selber zum Vorteil; in seinem Innern aber war er zernagt von Zweifeln, ob nicht die Urbösen schließlich doch zupacken würden, ehe er ihnen mit aller seiner Wendigkeit entschlüpfen konnte.
    Deshalb also bereitete ihm bei aller Betrübnis die neue böse Wendung im Falle Benjamin eine kleine Genugtuung. Bestätigte sie ihm doch, daß seine Redakteure unrecht hatten, daß man mit draufgängerischen Methoden, selbst wenn man für kurze Zeit die öffentliche Meinung auf seine Seite ziehen konnte, zuletzt doch nichts erreichte, und daß somit seine Anschauung, man müsse maßvoll sein und die Urbösen leise und listig anschleichen, gerechtfertigt sei. Sosehr er Friedrich Benjamin bedauerte, ihm selber gab dieser neue Schlag neue Kraft, und als ihn Herr Leisegang zu einer Unterredung aufforderte, sah er dieser Zusammenkunft unbesorgt, ja mit einer gewissen sportlichen Spannung entgegen.
    Herr Leisegang mit seiner guten Witterung für Menschen und Dinge hatte sich in all den Wochen, seitdem der Artikel gegen Wiesener erschienen war, nicht gerührt. Sowie er aber die Meldung über die günstige Zusammensetzung des Schiedsgerichts gelesen hatte, war auch ihm sofort klargeworden, daß jetzt die Geschäfte der Inseratenagentur Gellhaus & Co. mit den »P. N.« in eine neue Phase eintreten mußten, und er hatte sich sogleich wieder bei Wiesener gemeldet. Der hatte ihm denn auch, genau wie er erwartet, Auftrag gegeben, energischer gegen die »P. N.« vorzugehen.
    Mit Vergnügen machte er sich jetzt daran, dem p. p. Gingold aufs Dach zu steigen. »Rund ist das Wort, viereckig ist die Tat«, zitierte er den Spruch eines nationalsozialistischen Dichters. Länger ließen sich, erklärte er, seine Auftraggebernicht hinhalten, sie wollten endlich Taten sehen, und er bestand darauf, daß die seit langem in Aussicht gestellte Personalveränderung im Redaktionsbetrieb endlich Wirklichkeit werde.
    Eine solche Personalveränderung war eine Konzession, die Herr Gingold den Urbösen gut und gerne machen konnte. In seinem Innern schmunzelte er: besser konnte es sich gar nicht fügen. In drei, längstens vier Monaten kann er seine Kinder, ohne Aufsehen zu erregen, wieder nach Paris berufen. Den Urbösen braucht er in der Zwischenzeit lediglich durch die Entlassung Trautweins seinen guten Willen zu zeigen, dann werden sie gegen die Ausreise seiner Kinder nichts einzuwenden haben; ja, er wird sogar in diesen drei oder vier Monaten seine Berliner Geschäfte zu einem weiteren großen Teil zufriedenstellend abgewickelt haben. Und wenn er dann erst seine Kinder wieder in Paris haben wird, dann kann er sich in Ruhe überlegen, ob er seinen Handel mit den Urbösen fortführen oder abbrechen soll.
    Vorerst also brauchte er nichts anderes zu tun, als diesem Leisegang zu versprechen, daß er mit Sepp Trautwein Schluß machen werde. So gern er das tat, zunächst, seinen Prinzipien zufolge, wand und drehte er sich lange und zeigte sich wieder einmal als Meister in der Kunst, Unverbindliches zu

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