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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sagen. Erst als Leisegang ernstlich ungeduldig wurde, stimmte er zu. Leisegang indes begnügte sich nicht mit einem allgemeinen Versprechen, er stellte einen Termin, den 5. August. Herr Gingold sah sich nicht ungern vor diese kurze Frist gestellt, und, natürlich erst nach einigem Hin und Her, sagte er auch dazu ja.
    Wenige Tage darauf erschien in den »P. N.«, von Sepp in Satz gegeben, der Nachdruck eines Berichtes aus dem Gerichtssaal, der im »Fränkischen Kurier«, der führenden nationalsozialistischen Tageszeitung Nordbayerns, veröffentlicht worden war.
    Es trug aber dieser Bericht den Titel »Die Hosen des Juden Hutzler«, und er lautete folgendermaßen:
    »An einem Abend im Dezember vorigen Jahres stieg der neununddreißigjährige Jude Heinrich Hutzler von Hüttenbach in der Station Schnaittach in einen nach Simmelsdorf fahrenden Zug und setzte sich zu zwei Jüdinnen, mit denen er sich unterhielt. Über diesen Vorgang empörte sich ein Fahrgast, der Hutzler für einen SA-Mann hielt, einen nationalsozialistischen Sturmabteilungsmann. Der Fahrgast war zu dieser irrigen Anschauung deshalb gekommen, weil der Jude Hutzler, ein Viehhändler, schwarze Schaftstiefel und braune Hosen trug; braun ist aber die Farbe des Führers und seiner SA-Hosen. Der Fahrgast, in seiner irrigen Meinung, verständigte in Simmelsdorf den dortigen Ortsgruppenleiter der nationalsozialistischen Partei, der sogleich dem inzwischen zu Fuß in der Richtung nach Hüttenbach gehenden Hutzler auf einem Motorrad nachfuhr, feststellte, daß er ein Jude war und kein SA-Mann, und ihn zur Rede stellte, daß er als Jude, die Frechheit habe, eine solche Hose zu tragen. Auf diesen Vorhalt erklärte der Jude Hutzler nebst anderen Ausflüchten, daß er die Hose schon lange vor der Machtergreifung in Besitz gehabt habe, und daß er sie so dunkel habe färben lassen, daß sie mit den hellbraunen SA-Hosen nicht mehr verwechselt werden könne. Damit gab sich aber der Ortsgruppenleiter nicht zufrieden, sondern erstattete Anzeige.
    Dieser Tatbestand war zunächst Gegenstand einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Lauf, das den Juden Hutzler wegen groben Unfugs zu der nach dem Gesetz zulässigen Höchststrafe von sechs Wochen Haft verurteilte. Gegen dieses Urteil legte Hutzler Berufung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ein, so daß sich nun das Berufungsgericht mit dieser Angelegenheit zu befassen hatte. Als Beweismittel lag auf dem Gerichtstisch eine anscheinend bereits viel getragene, ungefähr rotbraune Hose im Schnitt der sogenannten Breecheshosen. Der Angeklagte, der auf Verlangen des Gerichts im Lauf der Verhandlung diese Hose anzog, um so den Zeugen gegenübergestellt werden zu können, machte zu seiner Verteidigung neuerlich geltend, daß er diese Hose bereits vorfünf oder sechs Jahren in einem Nürnberger Bekleidungshaus als hellbraune Sporthose gekauft habe. Im Jahre 1933 habe er die Hose auf Verlangen des für seinen Wohnort zuständigen Kreisleiters der nationalsozialistischen Partei dunkelbraun färben lassen, um nicht den Anschein zu erwecken, eine SA-Hose zu tragen, und sich nicht der angedrohten Gefahr, ins Konzentrationslager Dachau zu kommen, auszusetzen.
    Der Staatsanwalt stellte sich auf den Standpunkt, daß die umgefärbte Hose besonders in der Kniegegend durch den ständigen Gebrauch wieder heller geworden und so geeignet gewesen sei, den Anschein einer SA-Hose zu erwecken. Es sei eine große Frechheit des Angeklagten gewesen, die Hose in diesem Zustand zu tragen. Bei genügender Beobachtung der Hose hätte der Angeklagte sich sagen müssen, daß er mit der inzwischen an verschiedenen Stellen wieder etwas heller gewordenen Hose genau wie im Jahre 1933 wieder beanstandet werden könne. Jedenfalls liege eine grobe Fahrlässigkeit vor, die nach der Rechtsprechung genüge, um den Tatbestand des groben Unfugs zu erfüllen. Bei der Strafzumessung müsse bedauert werden, daß es nicht möglich sei, dem Angeklagten eine höhere Strafe als sechs Wochen Haft geben zu können. Nach Auffassung des nationalgesinnten Volkes wäre hier eine viel höhere Strafe am Platz. Wie die Zeugen, die irrtümlicherweise den Angeklagten für einen SA-Mann angesehen hätten, so hätten auch andere Fremde und auch Ausländer den Eindruck gewinnen können, ein SA-Mann unterhalte sich in der Bahn mit Jüdinnen. Aus all diesen Gründen sei es angebracht, die Berufung des Angeklagten auf seine Kosten zu verwerfen.
    Das Berufungsgericht nahm an, daß die beiden Zeugen,

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