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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Pereyros darauf verzichten. Muß sie denn, selbst wenn sie mit Erich bricht, das wie ein Filmstar vor aller Welt plakatieren? Kann sie sich nicht unter vier Augen mit ihm auseinandersetzen? Wenn sie ihm schon den Laufpaß gibt, kann sie das nicht ohne Zeugen tun? Und heimlich, ohne es Wort werden zu lassen, fügt sie hinzu: und sich innerlich vorbehalten, einen geänderten Erich wieder in Gnaden anzunehmen? Und noch tiefer innen spürt sie: oh, wie herrlich wäre eine solche Versöhnung.
    Aber nein, das ist ja kein Leben, dieses ewige Hin und Zurück zwischen dem, was man tut, und dem, was man tun sollte. Sie wird die abgebrochenen Brücken nicht wieder zusammenflicken.Eine wilde Sehnsucht faßt sie, sauber und anständig zu leben. Ihn davonjagen, ein für allemal mit ihm Schluß machen, das wird sein, wie wenn man nach einer langen mühsamen Skitour die verschwitzten Kleider herunterreißt und ins Bad steigt.
    Aber es wird ein sehr kaltes Bad sein.
    Sie nimmt ihre ganze Kraft zusammen. Sie wird ihm klar sagen, was ist, ohne kleinliche Ressentiments, aber unmißverständlich und für immer. Er hat oft Grund gehabt, ihre Schwäche zu verhöhnen, sie zu verachten wegen ihres Unvermögens, sich von ihm loszusagen. Jetzt wird einmal sie ihn ihre Verachtung spüren lassen, nicht kleinlich, nicht durch lächerliche, bösartige, weibchenhafte Stiche, aber sie wird es auskosten, einmal ihn klein und lächerlich zu sehen.
    Seitdem Lea in Paris war und sich mit Wiesener ausgesöhnt hatte, kam er fast täglich, um mit ihr zu Mittag oder zu Abend zu essen. Er war in diesen heitern Septembertagen strahlender Laune, voll von geradezu kindischer Genugtuung, daß der Parteigenosse mit der delikaten Aufgabe ihn betraut hatte und nicht Spitzi. Er hatte gesiegt, gegen mehr Schwierigkeiten als je, und diesmal endgültig. Er wußte natürlich noch nicht, welcher Art die Nachricht sein werde, die er fabrizieren wollte, aber er machte sich keine Sorge darum, bestimmt wird ihm etwas Gutes, Brauchbares einfallen.
    Auch heute also, an dem Tag, da Lea beschlossen hatte, ihm den Laufpaß zu geben, kam er in bester Stimmung und gab sich strahlend. Doch Lea spürte mit Freuden, daß diesmal auch sie gut in Form war und daß seine Liebenswürdigkeit an ihr abprallte. Ihr Herz, ihr Puls geht ruhig, sie kann ihn ohne Haß und Liebe betrachten, mit jener Sachlichkeit, die für ihr Vorhaben geeignet ist. Sie anerkennt, was gut an ihm ist, seine lustigen, gescheiten Sätze, seine angenehmen Manieren, seine männliche, breite Stirn, aber sie sieht auch die Gedanken hinter dieser Stirn, die skrupellosen, ruchlosen, nach billigen Erfolgen gierigen, sie sieht die Säcke unter den Augen, das schwache Kinn, den kurzen Hals. Nein, meinHerr Nazi, mein Herr Arrivist, diesmal kriegen Sie mich nicht herum.
    Man ißt zu Mittag, leicht und gut wie immer, die bunten Bilder »artfremder« deutscher Meister leuchten an den hellen Wänden, Emile geht geräuschlos ab und zu. Wiesener ist gesprächig, Lea einsilbig; eine Henkersmahlzeit, denkt sie. Dabei ist sie noch immer sehr ruhig, beinah heiter, Erich merkt bestimmt nichts von dem, was ihm bevorsteht.
    Den Kaffee nehmen sie in der Bibliothek. Lea sitzt in dem gelben Sessel, der sie so gut rahmt. Wie er seiner Sache sicher ist. Ich habe A gesagt und B und wohl auch K und L, und nun glaubst du natürlich, mein Lieber, das wird so weitergehen das ganze Alphabet durch. Aber da irrst du. M werde ich nicht mehr sagen. Meine Verblendung ist zu Ende, merkwürdigerweise gerade vor dem M. Du hast sicher viel schlimmere Geschichten angestellt als die mit den »Pariser Nachrichten«, es ist ein winziger Posten auf euerm Register: aber es ist der berühmte letzte Strohhalm, der den Rücken des Kamels bricht. »Ich fürchte, Erich«, sagte sie, und ihre helle Stimme klang besonders ruhig, »Sie werden heute das letztemal bei mir gegessen haben.« Und da er erstaunt hochsah, fügte sie hinzu: »Wenn Sie ein Mann von Wort wären, dann müßten Sie jetzt Ihren Hut aufessen.«
    Wiesener begriff sogleich. Hatte ihn der tückische Gehrke durch halbe Worte verraten? Hatte sie sich nur etwas zusammenkombiniert, als sie die Geschichte von der »P. D. P.« erfuhr? Er sah ihre hohe Stirn, eine verdammt eigensinnige Stirn, und sie sprach so ruhig, vielleicht machte sie wirklich Ernst. »Sie sollten nicht wieder von dem törichten Zeug anfangen, Lea«, sagte er, auch er sehr ruhig, und setzte die Kaffeetasse nicht ab. »Sie irren, Erich«,

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