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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wenn mir jetzt, da Wiesener unten durch ist, eine richtige Idee käme, dann müßte der Dickhäuter Frieden geben, auch wenn er mich nicht leiden kann.
    Frieden. Da war sie ja, die ersehnte Idee. Frieden. Pressefrieden. Blitzhaft sah Spitzi den Weg, den sicheren Weg zu diesem so oft diskutierten, ersehnten »Pressefrieden«.
    Er war natürlich so gedacht, der Pressefrieden, daß man die Brunnenvergifter zum Schweigen brachte. Waren nicht die emigrierten deutschen Hetzer, welche Frankreichs Gastfreundschaft nur dazu mißbrauchten, gegen uns zu stänkern, das böseste Hindernis für die Verständigung? Frankreich müßte diesem Auswurf die Gastfreundschaft kündigen, es müßte Leute wie die Heilbrun und Trautwein ausweisen für den Fall, daß sie ihre verbrecherische Tätigkeit nicht einstellten. Auch wir wären dann gerne bereit, gedämpftere Töne anzuschlagen. Was zum Beispiel die erfreuliche Nebenwirkung hätte, daß Freund Wiesener für eine Weile seinen Artikeln eine Sordine aufsetzen müßte.
    Corinne sah mit angenehmem Staunen, wie Spitzi auf einmal strahlend zu lächeln begann. Er wußte jetzt, wie man den so heiß erwünschten, so oft angebahnten, nie erreichten Pressefrieden durchsetzen konnte. Er hatte den Dreh, den Trick, den »Königsgedanken«, wie man sich in seiner Jugend auszudrücken gepflegt hatte, und er wird sich dadurch als der legitime Kronprätendent erweisen. Diesmal nämlich, das ist der Kern seines Einfalls, werden wir unsern Pressefrieden nicht etwa selber anregen. Wir werden vielmehr dafür sorgen, daß der französischen Regierung dieser Schritt zur Verständigung von einem Dritten nahegelegt wird, von einem sozusagen Unbeteiligten, von einem Neutralen, von einem guten Mittler: von England. Ja, verehrtes Nilpferd, es gibt in London ein paar recht einflußreiche Herren, interessiert an industrieller Verständigung. Und diese Herren sind euch nicht, wohl aber uns zugänglich. Sie haben zum Beispiel, diese Herren, für Walther von Gehrke allerhand übrig, sie nennen ihn Spitzi, sie sind gern mit ihm zusammen. Es wird diesem Spitzi nicht schwerfallen, besagten Herren klarzumachen, wie dienlich eine solche Verständigung der Weltwirtschaft und dem Weltfrieden wäre. Diesen Herren können wir dann getrost alles Weitere überlassen.
    Spitzi war jetzt ordentlich vergnügt. Er rückte Corinne auf den hübschen, weißhäutigen Leib, er bot seine ganze trainierte Liebenswürdigkeit auf, Corinne hatte keinen Anlaß mehr, anzunehmen, er sei nicht ganz bei der Sache. Dabei dachte er: Wir werden dem Nilpferd die Freude an seinem Günstling versalzen. Und diesmal schieb ich’s nicht auf die lange Bank. Schon morgen fange ich an. Dieser Entschluß aber lenkte ihn keineswegs von Corinne ab, im Gegenteil, und Corinne hatte es nicht zu bereuen, daß sie ihrem »inneren Gebieter« die Erlaubnis abgeschmeichelt hatte.
    Übrigens begann Spitzi sich wirklich schon am andern Tag an die Ausführung seiner Idee zu machen. Er setzte dem Botschafter sein Projekt auseinander. Der war Feuer und Flamme. Da konnte man den Leuten von der Rue de Penthièvre zeigen, daß man auch noch da war, die Lorbeeren aus dieser Aktion werden sie gefälligst der Rue de Lille überlassen müssen, da können sie einem nicht hereinfimmeln. Dieser Spitzi war wirklich ein Mordskerl.
    Herr von Gehrke erhielt also die Vollmachten, die er brauchte, und fuhr, begleitet von den Segenswünschen des Botschafters, nach London.
    Als er zurückkam, war auch Heydebregg wieder da.
    Heydebregg brachte von seiner Reise gute Ernte nach Paris zurück. Man hatte ihn in Berlin mit vielen Ehren aufgenommen; auch in Berchtesgaden, auf dem Zauberberg, war er empfangen worden. Nicht nur hatte man das bereits Erreichte gerühmt und das weiter Geplante gebilligt, er war jetzt auch genau unterrichtet, wie die maßgebenden Männer des Reichs und der Partei über den Fall Benjamin dachten, über die projektierte Verständigungsaktion mit Frankreich, über die Frage der Emigranten. Vor allem aber wußte er jetzt Bescheid, wieweit man in München und in Berchtesgaden seinen Parisern wohl- oder übelwollte, wie weit also er selber gehen durfte. Die Tage des Botschafters waren gezählt, die Exzellenz war eine Leiche auf Urlaub, der Mann war in seine,Heydebreggs, Hand gegeben. Wenn des Parteigenossen von Gehrkes Name fiel, so schmunzelte zwar der Bär noch immer wohlgefällig, aber seinen Wünschen war Genüge getan, wenn man dem von Gehrke die Möglichkeit ließ, in

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