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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gemacht, wieSie sich auszudrücken belieben, und Sie werden sich damit abfinden müssen, daß in Zukunft Monsieur Trautwein hier ein und aus geht.«
    Wiesener glaubte ihr noch immer nicht, daß sie wirklich einen entscheidenden Schritt sollte getan haben, sie wollte ihm nur drohen, ihn schrecken. »Verzeihen Sie, süße Lea«, sagte er und war ganz wieder der alte, liebenswürdige, ironische Erich, »ich bin offenbar zu begriffsstutzig, ich begreife noch immer nicht, was Sie eigentlich so gegen mich erzürnt hat. Setzen wir den Fall, man hätte wirklich Schritte getan gegen Ihr famoses Lamm des Armen, gegen die Herren Heilbrun und Sepp Trautwein und ihre ›Pariser Deutsche Post‹, dann könnte ich doch höchstens ein bescheidener Handlanger gewesen sein. Warum also laden Sie Ihre ganze Wut auf mich ab, den Journalisten und Schriftsteller, und nicht auf jene Herren, die unsere Aktion hier in Paris bestimmen, auf die Parteigenossen Heydebregg und von Gehrke? Sie wissen doch Bescheid. Von dem Nilpferd zum Beispiel haben Sie doch genau gewußt, daß es nach Paris gekommen war, um Ihre Schützlinge zu zertrampeln. Trotzdem haben Sie sich mit Heydebregg gut verstanden, und es war Ihnen keineswegs unlieb, daß er in Arcachon wochenlang Ihr Gast war.«
    Lea, ohne ihn anzusehen, sagte vor sich hin, leise: »Es gibt eine Grenze, einen ganz bestimmten Punkt, wo der anständige Mensch aufhört und der Lump beginnt.«
    Wiesener war blaß geworden. Immer noch war eine kleine Hoffnung in ihm gewesen, es könnte alles nur Gerede sein, jetzt zerging ihm diese Hoffnung. Fast körperlich schmerzte ihn die Verachtung, die aus Leas Worten sprach. Erkannt und verachtet, klang es in ihm wie damals, als ihn Tüverlin brüskierte. »Vielleicht«, antwortete er schließlich, »stimmt Ihre schöne Sentenz, vielleicht auch gehört sie zu jenen Aphorismen, von denen das Gegenteil ebenso richtig ist. Aber auf keinen Fall, Lea, ist Ihre moralische Betrachtung eine Antwort auf meine Frage. Was spricht für Heydebregg und was gegen mich?«
    »Das will ich Ihnen sagen, Erich«, erwiderte sie, und schon aus ihrer Stimme hörte er, daß es ihm endlich geglückt war, sie in Wut zu bringen. Mit ein wenig Angst, aber doch beinahe schon mit Begierde wartete er darauf, daß sie auspacken, daß sie den aufgestauten Groll ausbrechen lassen werde. Und so geschah es auch. »Heydebregg«, sagte sie, »ist das, was er ist. Er ist aus einem Guß, er steht ein für das, was er tut, er leugnet es nicht ab. Er ist seinem ganzen Wesen nach ein Nazi, ein Hunne, er freut sich daran, und es hat Momente gegeben, wo auch ich mich an seiner Barbarei gefreut habe. Du, Erich«, und jetzt wurde ihre Stimme leidenschaftlich, schrill, unschön, »du, Erich, du kokettierst mit deiner Barbarei. Du möchtest sowohl barbarisch sein wie zivilisiert, du bist halb, halb, halb, du bist lau, und du belügst dich und die andern. Heydebregg ist Nazi von ganzem Herzen: du, mit deiner Wendigkeit, könntest heute ebensogut Kommunist sein wie Nazi. Wenn du wenigstens für deine Gemeinheiten einstündest. Aber du willst es ja nicht einmal wahrhaben, wenn du für deine Karriere eine Lumperei begehst. Eine Zeitlang hast du mir weismachen können, dein Verhalten sei renaissancehaft; jetzt habe ich eingesehen, es ist bloß niederträchtig. Ich weiß jetzt, wie morsch und verfault du bist. Ich habe das Komödiantische an dir durchschaut, deinen koketten Ehrgeiz, dein ewiges Schwanken, deine Feigheit.«
    »Wenn Sie wünschen, Lea«, antwortete Wiesener, »dann bring ich Ihnen das nächstemal ein synonymisches Wörterbuch mit, dann können Sie mir noch eine ganze Menge ähnlicher Liebenswürdigkeiten an den Kopf werfen.« Aber seine Ironie kam nicht so leicht heraus wie sonst. Sie spricht genau wie Maria, dachte er grimmig. Sie könnten ein Kollegium bilden, die drei: sie, Maria und Tüverlin. Ich komme mir schon vor wie ein Watschenmann. Aber auf alle Fälle ist es besser, sie spricht so, als wie sie zuerst gesprochen hat. So beschimpft einen nur eine Frau, die einen liebt. »Aber im Ernst, Lea«, fuhr er fort, »bezeichnen Sie die Eigenschaften, die Sie nannten, mit etwas weniger scharfen Worten, sagen Sie statt›komödiantisch‹ wirksam, sagen Sie statt ›schwankend‹ wendig und statt ›feig‹ vorsichtig, und Sie bezeichnen Qualitäten, ohne die in Wahrheit kein Politiker auskommt. Ich treibe Politik um der Entfaltung meiner Persönlichkeit willen, um der Politik an sich willen: wofür ich

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